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Am 10.2.1948 wurde eine folgenschwere Parteiresolution erlassen und das Schaffen einiger Komponisten, darunter Prokofjew, Schostakowitsch, Chatschatuijan, wegen „formalistischer und antinationaler“ Aspekte, mit einer „zur Vernichtung der Musik führenden Tendenz“ gerügt. Diese Mängel, „wie Subjektivismus, Kon struktivismus, extre mer Individualismus und die Kompliziert heit der Musikspra che“, müßten behoben und „die sowjetische Musik auf den Weg des Realismus“ geführt werden, um zur „Entstehung von wertvollen, unseres Volkes würdigen Werken“ beizutragen. die russische Sprache in meinem Ohr wider hallen hören, ich muß mit den Leuten reden, ... damit sie mir etwas zurückgeben, was mir hier fehlt: ihre Lieder, meine Lieder.“ Die alte Heimat hatte ihn anfangs enthu siastisch aufgenommen. Das stand in einem verlockenden Kontrast zu den oftmals kühlen Reaktionen des Pariser Publikums. Und doch bemerkte er bald, daß seine Rückkehr ihm Fesseln auferlegt hatte, er in ein Land gekommen war, das auch ihn, wie viele andere sich frei entfaltenden Künst ler, reglementieren wollte. Nur widerwillig ordnete er sich und schließlich sogar mit großen Schwierigkeiten einer stalinistisch geprägten Kulturdoktrin unter. Seit dem berüchtigten ZK-Beschluß der KPdSU vom 10. Februar 1948, der als „Formalismus- Beschluß“ den freien Künstlern gewisser maßen Ketten anlegen wollte, wurde auch das Schaffen Prokofjews einer „volksfeind lichen“ Richtung zugerechnet und einige Werke mit einem Aufführungsverbot belegt. In gewisser Weise fügte sich Prokofjew, schuf einige Kompositionen zur Ehre seines Landes, die allerdings keineswegs zu seinen besten zu zählen sind und eher in die Trivia lität und Schablone abgleiten, gegen die er sich noch Anfang der dreißiger Jahre vehe ment verwahrt hatte (Suite „Lagerfeuer im Winter“; 1949 oder Oratorium „Auf Friedens wacht“; 1950). Ihm allerdings Unaufrichtigkeit vorzuwerfen, wäre doch wohl ungerecht. Im merhin war er in Zwänge geraten, denen er nichts entgegenhalten konnte, zumal auch noch seine erste Frau, eine Spanierin, 1948 als „Spionin“ verhaftet und verbannt worden war; sie wurde 1956 rehabilitiert. Prokofjew war stark angeschlagen, krank, gebrochen. Sein kompositorischer Stil hatte sich geglättet und fand damit einen gewissen