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etwas gemeinsam, es handelt sich um durchaus eigenständige Formgebilde. Liszt stellte in einer Studie über Hector Berlioz, dessen Verfahren der assoziati ven Themenverknüpfung er sich ebenso zu eigen gemacht hatte wie das Kon zept einer „idee fixe", die Frage: „Sol len diejenigen, die von ihrem Genius und dem Geiste der Zeit zur Erfindung und zum Gusse neuer Formen sich ge trieben fühlen, unter das Joch bereits fertiger Formen gebeugt werden?" Während das erste Klavierkonzert in Es-Dur, dem ein grandioser, gelegentlich bomba stisch-äußerlicher Zug zu eigen ist, durch seine Mehrsätzigkeit noch äußerlich mit der übernommenen Form kokettiert, be steht das eher in sich gekehrte, einsätzige Klavierkonzert Nr. 2 A-Dur aus sechs Formteilen, die - mit unterschiedli chen Zeitmaßen - attacca auseinander hervorwachsen. Homogener, harmo nisch wie klangfarblich noch differen zierter als das erste Konzert, entstand das zweite wohl schon früh - in den dreißiger Jahren -, wurde aber vielfach umgearbeitet und erhielt seine endgülti ge Gestalt gar erst 1861. Da war es bereits am 7. Januar 1 857 unter der Leitung des Komponisten, mit seinem Schüler Hans von Bronsart als Solisten, in Weimar zur Uraufführung gelangt. Bronsart, ein Lieblingsschüler Liszts in Weimar, dem dieses Konzert auch ge widmetwurde, hat viele interessante Ein zelheiten über den Lisztschen Unterricht überliefert: „Wie im Spiel, so im Unter richt stand der Hörer wie der Schüler vor den wunderbarsten Offenbarungen des Genies. Eine Lehrmethode, sozusa gen Schablone, gab es für Liszt ebenso wenig wie für jeden bedeutenden Künst ler, er leitete jeden nach dessen beson derer Eigenart, und diese stets mit Si cherheit zu erkennen, war eben Sache des alles überragenden Genies. In der Technik war es die Elastizität und Unab hängigkeit aller Gelenke voneinander bei gleichzeitigem ,Federn' derselben miteinander (selbstverständlich cum grano salis, sozusagen ,unmerklich'), worauf sowohl Kraft als Tonschönheit - der sogenannte schöne Anschlag - be ruhen mußte. Er äußerte gelegentlich das Paradoxon: Die Hände müssen mehr in der Luft schweben als an den Tasten kle ben, oder: Um Beethoven zu spielen, muß man mehr Technik haben als dazu gehört!" Das A-Dur-Konzert zeichnet sich durch poetischen Ideen- und Empfindungs gehalt, harmonischen Reichtum, aber auch virtuosen Glanz aus. Es spiegelt vor allem die lyrische Seite der Lisztschen Natur wider. Durch Liszts „Erfindung von Motiven als plastische Einheiten, fähig zur unendli chen Umformung im Verlaufe eines Wer kes" wurde er zum Schöpfer jener neu en Form, die (nach Richard Wagner) „in jedem Augenblick diejenige ist, die nö tig ist". Ein melodisch geprägtes, etwas welt verlorenes Hauptthema, das zu Beginn von den Holzbläsern eingeführt wird, bestimmt in mannigfachen rhythmisch metrischen und harmonischen Umfor mungen die gesamte Komposition. Be sonders ein unruhiges Moll-Motiv und ein Zwiegesang zwischen Cello und Kla vier ragen unter den Variantthemen her aus. Es kommt zu starken Gegensätzen und fast dramatischen Entwicklungen, wobei das Soloinstrument bedeutsam hervortritt. Neben verinnerlichten, stim mungsvollen Episoden stehen virtuose Steigerungen. Am Schluß wird das Hauptthema mit höchster Klangentfal tung zu einem triumphierenden Marsch umgestaltet. Spieldauer: ca. 22 Minuten