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(1972 - 1983 entstanden), die einem Resümee gleicht, zweifellos einen Gip felpunkt erreicht hat. Zu Recht gilt diese Komposition, die Antoni Wit bei seinem letzten Gastspiel im Februar 1991 mit den Philharmonikern zur Dresdner Erst aufführung brachte, als eine der nach drücklichsten sinfonischen Aussagen unseres Jahrhunderts. neuen Klangphänomene (Zwölfton-Har- monien) habe ich an mir selbst getestet. Sie ließen mich eigene Regeln, Zustän de und Verwandtschaften entdecken, ohne Einwirkung von außerhalb ... An ders als Schönberg, der während der systematischen Ausarbeitung der Dode- kaphonie (acht Jahre) nicht komponier te, blieb ich immer schöpferisch tätig." Das Werk, das heute erklingt, markiert eine deutliche Zäsur in der komposi torischen Entwicklung Lutosfawskis. Der Komponist nannte es ein „erstes Wort in einer neuen Sprache": die Trauermusik für Streichorchester Die von tiefer Innerlichkeit getragene, eindringliche und konzentrierte Kompo sition für in 10 Gruppen geteiltes Streich orchester, eines der bestgelungenen Streicher-Werke der Musikliteratur, wur de dem Andenken des großen ungari schen Komponisten Bela Bartök (1881- 1945) gewidmet. Sie entstand in den Jahren 1957/58 und wurde am 26. März 1958 vom Sinfonieorchester des Polnischen Rundfunks Katowice unter Jan Krenz uraufgeführt. Erstmals wandte sich der Komponist hier der Zwölftontechnik (Dodekaphonie) zu. Er äußerte sich dazu folgendermaßen: „Ich begann damit, die Klangsprache zu untersuchen. Vom Nullpunkt an, ohne jedes vorgegebene Modell. Ich wollte keinem folgen, auch nicht Arnold Schön bergs Zwölftonsystem, das übrigens nicht sein Monopol gewesen war. Es lag da mals in der Luft, die Reihentechnik zu verwenden. Meine Trauermusik und Fünf Lieder nach Worten von Kazimiera lllakowicz enthalten erste Ansätze. Weil mich die Reihen aber nicht weiterführ ten, habe ich eine neue Harmonik aus gearbeitet und das Zwölftonsystem ver tikal benutzt. Nicht dogmatisch, sondern empirisch war ich darauf gekommen. Es hatte mit Schönberg nichts zu tun. Diese In der Tat unterscheidet sich Lutosfawskis Kompositionsweise in der Trauermusik beträchtlich vom Schönbergschen Reihendenken. „Im 'Prolog' wird die aus Tritoni und fallenden Sekunden, Symbo len der Trauer, bestehende Reihe zu nächst horizontal entfaltet, in kontra- punktischer Schichtung mehrerer Stim men. 'Metamorphosen', der zweite Teil des einsätzigen Werkes, konfrontiert dann gleichsam Lutosfawskis dodeka- phone Schreibweise mit seiner eigenen Vergangenheit, der folkloristisch beein flußten Phase. Emotionaler Höhepunkt der Trauermusik ist der dritte Teil 'Apo gäum', was in etwa 'entferntester Punkt' bedeutet: Zwölftonakkorde, die so in sich das chromatische Total aufheben, verdichten und verengen sich bei stän dig langsamer werdendem Tempo zum Einklang, aus dem heraus im 'Epilog' nochmals die Reihe sich melodisch ent faltet. Die vier Teile bilden so eine an Bartök orientierte Bogenform. Trotz des konstruktiven Reihendenkens besticht die Trauermusik durch ihre emphatische Aus drucksdichte" (R. Schulz). Spieldauer: ca. 14 Minuten Die melodische Bogenform erinnert an Bartök