S. Rachmaninow Klavierkonzert Nr. 2 c-Moll, op. 18 Die beiden letzten Sätze dieses 1901 beendeten Werkes spielte Rachmaninow schon 1900 in Moskau unter Alexander Siloti. In gleicher Besetzung erfolgt 1901 in Moskau die vollstän dige Uraufführung. Das Konzert gehört zu Rachmaninows reifsten, geschlossensten Wer ken. Zwei musikalische Gestaltungsebenen herrschen vor: zum einen energische, betont rhythmische Gedanken, die oft in düstere oder herbe Klänge gekleidet sind, zum anderen klar gezeichnete, sich breit entfaltende, frei fließende Liedmelodien, die oft schwärmerisch hymnischen Charakter annehmen oder bis zu intimer Zärtlichkeit zurückgenommen wer den. Beide Sphären verschmelzen im Hauptthema des ersten Satzes. Dumpfe Glocken schläge untermalen den wuchtigen Moll-Gesang des Orchesters („con passione“); er steigt auf und fällt langsam zum Ausgangston zurück. Dann bringt das Soloinstrument in lichtem Dur den Seitengedanken, der in der Durchfüh rung bevorzugt wird. Im Charakter der berühmten Elegien Rachmaninows entwickelt sich der zweite Satz. Die Verwandtschaft des Themas zur Durmelodie des ersten Satzes ist offenbar. „Wie gut er die Stille hört“, hat einst Maxim Gorki jene Stelle dieses Satzes kommentiert, wo sich Triolen als Begleitfiguren einstellen. Aus dem anfangs lyrisch verhaltenen Thema erge ben sich zwei mitreißende Höhepunkte jubelnden Gesanges, der zuletzt leise, wie in weiter Ferne, verebbt. Im Finale arbeitet der Komponist mehr mit bravourösen Mitteln. Als inhaltsbestimmend wird dennoch ständig der Gegensatz zwischen dem Hauptthema (scharf rhythmisiert, mit Scherzocharakter) und dem wiederum in der Durchführung bevorzugten Seitengedanken (breite Kantilene -) empfunden. J. Brahms Sinfonie Nr. 1 c-Moll, op. 68 Die 1. Sinfonie (Uraufführung am 4. November 1876 in Karlsruhe unter Otto Dessoff) war das Schmerzenskind des Komponisten; er hat an ihr seit Ende der fünfziger Jahre gearbeitet. Der erste Satz lag schon 1862 fertig vor. Aber erst vierzehn Jahre später war die Gesamtkon zeption möglich. Kaum ein Musikstück aus der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zeigt solch ein kraftvolles Ringen wie der Eröffnungssatz dieser Sinfonie, die, wie Beethovens „Fünfte“, als eine „Schicksalssinfonie“ gedeutet werden kann; daß dieses „Schicksal“ auch für Brahms im wesentlichen eine gesellschaftliche Macht war, wurde ihm selbst erst allmäh lich bewußt. Der erste Satz wird eingeleitet von einem „Un poco sostenuto“ überschriebenen Teil. Dieser beginnt mit einer ausdrucksvollen musikalischen Gestalt, die verzweifeltes Ankämpfen gegen unerbittliche Schicksalgewalten zu symbolisieren scheint. Chromatik bestimmt den Ablauf, dazu ertönt in den Bässen und der Pauke ein unaufhörlich hämmernder Orgelpunkt. Drängende, leidvolle Unruhe beherrscht diesen Abschnitt. Der Beginn des sich anschließenden Allegro stellt trotziges Aufbegehren gegen das Schick sal dar. Immer wieder scheint das Ringen aussichtslos zu sein. Einem chromatischen Motiv beginnt alles zu erliegen; auch das zweite Thema, das geradezu einen rührend poetischen Charakter hat, ist ihm ganz verfallen.