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Über sein Musikdrama „Tristan und Isol de" (1859), das ganz aus persönlichem Erleben herauswuchs, schrieb Wagner u. a.: „Mit ... Zuversicht versenkte ich mich ... in die Tiefen der inneren Seelen vorgänge und gestaltete ... aus diesem intimsten Zentrum der Welt ihre äußere Form. Aller Leben und Tod, die ganze Be deutung und Existenz der äußeren Welt hängt hier allein von der inneren Seelen bewegung ab." Wagners „Hypertrophie der Empfindsamkeit", seine individuali stisch-psychologische Tonsprache, die aufs feinste seelische Empfindungen und Regungen nachspürt, hat in diesem Werk unbestreitbar ihren Höhepunkt erreicht. „Innerer Seelenbewegung", unstillbarer Liebessehnsucht verleiht auch das instru mentale Vorspiel zu „Tristan und Isolde" Ausdruck, das Wagner selbst folgender maßen deutete: „Tristan führt als Braut werber Isolde seinem König und Oheim zu. Beide lieben sich. Von der schüch ternsten Klage des unstillbaren Verlan gens, vom zartesten Erbeben bis zum furchtbarsten Ausbruch des Bekenntnisses hoffnungsloser Liebe durchschreitet die Empfindung alle Phasen des sieglosen Kampfes gegen die innere Glut, bis sie, ohnmächtig in sich zurücksinkend, wie im Tode zu verlöschen scheint ..." Das fle- hend-drängende Sehnsuchtsmotiv, das vielfach abgewandelt wiederholt wird, steht am Beginn des Vorspiels. Seine Chromatik, seine „seufzerischen Vorhal te", seine mehrdeutige, zerfließende Har monik bei wenig ausgeprägter Rhythmik ist typisch für den „Tristan"-Stil. „Isoldes Liebestod", der Schluß des Mu sikdramas, der vorwiegend auf Motive aus dem zweiten Akt (Liebestod-Motiv und Motiv der Liebesentzückung) zurück greift, gibt gleichsam die Antwort auf die Frage der unstillbaren Sehnsucht des Vor spiels: „Was das Schicksal trennte, lebt -di*". nun verklärt im Tod auf; die Pforte der Ver einigung ist geöffnet, über Tristans Leiche gewahrt die sterbende Isolde die seligste Erfüllung des glühenden Sehnens, ewige Vereinigung in ungemessenen Räumen, ohne Schranken, ohne Banden, unzer trennbar ...I" (R. Wagner) „Isoldes Liebestod" - Richard Wagner Mild und leise wie er lächelt, wie das Auge hold er öffnet, seht ihr's, Freunde? Seht ihr's nicht? Immer lichter wie er leuchtet, sternumstrahlet hoch sie hebt? Seht ihr's nicht? Wie das Herz ihm mutig schwillt, voll und hehr im Busen ihm quillt? Wie den Lippen, wonnig mild, süßer Atem sanft entweht: Freunde! Seht! Fühlt und seht ihr's nicht? Höre ich nur diese Weise, die so wundervoll und leise, wonneklagend, alles sagend, mild versöhnend aus ihm tönend in mich dringet, auf sich schwinget, hold erhallend um mich klinget? Heller schallend, mich umwallend, sind es Wellen sanfter Lüfte? Sind es Wogen wonniger Düfte? Wie sie schwellen, mich umrauschen, soll ich atmen, soll ich lauschen? Soll ich schlürfen, untertauchen? Süß in Düften mich verhauchen? In dem wogendem Schwall, in dem tönenden Schall, in des Welt Atems wehendem All, ertrinken, versinken — unbewußt, — höchste Lustl Orchesterskizze zum Vor spiel „Tristan und Isolde" IAutograph) Bemerkungen zum Vorspiel und Isoldes Liebestod aus „Tristan und Isolde“