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ZUR EINFÜHRUNG Otto Wesendonk Zur Entstehung der Wesendonk-Lieder Als der wegen seiner Teilnahme an der Revolution steckbrieflich gesuchte Richard Wagner 1 849 aus Dresden fliehen muß te, fand er in der Schweiz Asyl und be gegnete jener Frau, der er entscheidende Schaffensimpulse verdankte, jedenfalls zu „Tristan und Isolde” und „Die Meistersin ger von Nürnberg": Mathilde Wesen donk. Während seines Züricher Asyls hatte Wagner Freundschaft mit dem ver mögenden Kaufmann Otto Wesendonk und seiner dreizehn Jahre jüngeren Frau geschlossen. Den Hauptwunsch des Kom ponisten, eine ruhige Wohnung für sich allein als Stätte ungestörter Arbeit zu ge winnen, erfüllte Otto Wesendonk, der ihm im Februar 1 857 ein kleines Land haus neben seiner Villa mit Ausblick auf See und Gebirge, das „Asyl auf dem grü nen Hügel", einräumte. Im August 1 857 bezogen die Wesendonks ihr Haus ne ben Wagners „Asyl", so daß nun der Meister und Mathilde Wesendonk in eng ster Nachbarschaft lebten. Die zunächst nur freundschaftlichen Bindungen zu die ser schwärmerisch veranlagten, künstle risch tief empfindenden Frau verwandel ten sich bald in eine leidenschaftliche Liebe, die jedoch nach harten inneren Kämpfen in schmerzlicher Resignation ausklingen mußte. In einem Brief an seine Schwester Kläre vom 20. August 1 858 berichtete Wag ner über sein Verhältnis zu Mathilde We sendonk: „Was mich seit sechs Jahren er halten, getröstet und namentlich auch gestärkt hat, an Minnas Seite (seiner er sten Frau) trotz der enormen Differenzen unseres Charakters und Wesens, auszu halten, ist die Liebe jener jungen Frau, die mir anfangs und lange zagend, zwei felnd, zögernd und schüchtern, dann aber immer bestimmter und sicherer sich näherte. Da zwischen uns nie von einer Vereinigung die Rede sein konnte, ge wann unsere tiefe Neigung den traurig wehmütigen Charakter, der alles Gemei ne und Niedere fernhält und nur in dem Wohlergehen des anderen den Quell der Freude erkennt. Sie hat seit der Zeit unse rer ersten Bekanntschaft die unermüdlich ste und feinfühlendste Sorge für mich getragen und alles, was mein Leben er leichtern konnte, auf die mutigste Weise ihrem Manne abgewonnen ... Und diese Liebe, die stets unausgesprochen zwi schen uns blieb, mußte sich endlich auch offen enthüllen, als ich vorm Jahre den „Tristan" dichtete und ihr gab ... Doch wir erkannten sogleich, daß an eine Ver einigung zwischen uns nie gedacht wer den dürfte: somit resignierten wir, jedem selbstsüchtigen Wunsche entsagend, lit ten, duldeten, aber - liebten uns! Und in den „Erinnerungen" Mathilde We sendonks lesen wir folgendes: „Die in Zürich verlebten Jahre waren für Wagner eine Zeit der Sammlung, der Arbeit und der inneren Abklärung, die nicht wegge dacht werden kann, ohne den Faden sei ner Entwicklung gewaltsam zu zerreißen. Er war ein anderer als er kam und da er ging! ... Er liebte sein Asyl, wie er sein neues Heim in der Enge bei Zürich nann te. Mit Schmerz und Trauer hat er es ver lassen - freiwillig verlassen! Warum? Müßige Frage! Wir haben aus dieser Zeit das Werk: Tristan und Isolde! Der Rest ist Schweigen und Sichneigen in Ehr furcht!" In den Monaten Dezember 1857 bis Mai 1 858 schrieb Mathilde Wesendonk die „Fünf Gedichte", die Wagner spon tan vertonte. Zwei dieser Lieder, „Die Träume" und „Im Treibhaus", sind eng mit der „Tristan"-Musik verbunden: aus den „Träumen" erwuchs der Zwiegesang im zweiten Akt „O sink hernieder Nacht der Liebe", aus dem „Treibhaus" wurde ein Jahr später das Vorspiel zum dritten Auf-