das „Typische" übersehen oder gar ver tuschen zu wollen, besteht eine nicht minder große Gefahr darin, dieses „Ty pische" als blankes Klischee zu behan deln und ihm alles Individuelle zu unter werfen . Bereits die Sinfonien 1 bis 3 stellen un terschiedliche Lösungen des sinfonischen Problems dar, ausgehend freilich von be stimmten gemeinsamen Grundlagen. Es gibt Vorgriffe und Retardierungen, etwa im Verhältnis zwischen der 1. und 2. Sin fonie, und die 3. unternimmt den ent scheidenden Schritt zu dem, was als In karnation des Brucknerschen Sinfonie typs bezeichnet werden könnte: der Ent faltung eines hymnisch-pathetischen „Tons" nicht nur in den Ecksätzen, son dern auch im 2. Satz und Scherzo ... Die 4. Sinfonie setzt sich von der 3. durch ein überwiegend strahlendes, ge radezu „glänzendes" Klangbild ab, des sen ungetrübt wirkende Klarheit und Di rektheit von scheinbar vereinfachten for malen, motivisch-thematischen und har monischen Verhältnissen noch bestärkt werden. Dies, zusammen mit den pitto resken Attributen einer „romantischen" Naturszenerie, welche aus dem Werk eine Art Sinfonische Dichtung machen, dürften zu seiner späteren Popularität erheblich beigetragen haben. Doch die Vereinfachungen erweisen sich, wie stets bei Bruckner, als trügerisch - sie berüh ren nur Außenseiten der Musik ... Die 1. Fassung der 4. Sinfonie beende te Brücker im November 1 874, eine 2. entstand zwischen Januar 1878 und Juni 1 880, parallel also zum Streichquintett und dem Beginn der 6. sowie zur Bear beitung der 2. Sinfonie. Die 2. Fassung erhielt ein völlig neues Scherzo, das Fi nale wurde stark verändert. 1. und 2. Satz hingegen wahrten weitgehend die Gestalt der 1. Fassung. Eine Anfrage des in New York wirkenden Dirigenten An ton Seidl veranlaßte Bruckner im Jahre 1886, das Werk einer neuerlichen Durchsicht zu unterziehen, aus der, so Leopold Nowak, die Fassung „letzter Hand" hervorging. Die Uraufführung durch die Wiener Philharmoniker unter der Leitung von Hans Richter fand am 20. Februar 1881 statt - sie wurde, an ders als die Uraufführung der „Dritten", ein triumphaler Erfolg, den die Kritik von Freund und Feind anerkennen mußte - und der Bruckner die lakonische Bemer kung entlockte: „Staunenswerth". Beginn der 4. Sinfonie Bruckners in der zweiten Fassung. Autograph, Nationalbibliothek Wien Aus den verschiedenen Kritiken seien ei nige aufschlußreiche Passagen ange führt. In der Zeitung „Vaterland" schreibt