Volltext Seite (XML)
ZUR EINFÜHRUNG Mehr als 20 Jahre lang wurde die Musik Hanns Eislers in Österreich und in der Bundes republik nahezu völlig ignoriert. Erstens, weil ein Künstler, der aus dem freien Westen in die DDR übersiedelte und sogar deren National hymne komponierte, nicht „salonfähig" erschei nen konnte, und zweitens, weil das Wirken eines Musikers, der aus seinen Erfahrungen nicht nur künstlerische, sondern auch gesell schaftspolitische Konsequenzen zog, sehr schwer verständlich war. Eislers Standpunkt, daß nämlich die Wahl der kompositorischen Mittel von der gesellschaftlichen Funktion der zu komponierenden Musik abhänge, hatte ja schon zu Spannungen zwischen ihm und seinem verehrten Lehrer Arnold Schönberg ge führt, da er die Idee einer autonomen Ent wicklung des musikalischen Materials entge gen stand. Inzwischen liegen die Dinge anders, wurde doch in der jüngeren Ver gangenheit die Bedeutung von Eislers Musik recht eigentlich „entdeckt", die auch außer halb der DDR viele Komponisten in ihrem Ver halten zum Problem des musikalischen Ma terials beeinflußt hat. Auch seine politische Haltung und deren Auswirkungen auf sein äußerst umfangreiches Schaffen vermag man heute unter einem anderen Gesichtswinkel zu sehen. Hanns Eisler wurde 1 898 als Sohn eines österreichischen Privatgelehrten in Leipzig ge boren, seit 1901 lebte die Familie in Wien, wo er 1919 ein reguläres Kompositions studium aufnahm, u. a. bei Arnold Schönberg, und Arbeiterchöre leitete. Bereits seine frühen Kompositionen, von denen einige bei Musik festen in Prag, Venedig, ■ Baden-Baden, Do- naueschingen und Berlin erklangen, erregten Aufmerksamkeit. 1925 erhielt er den Musik preis der Stadt Wien und übersiedelte nach Berlin, wo 1929 eine regelmäßige, fruchtbare Zusammenarbeit mit Bertolt Brecht begann, die bis zum Tode des Dichters 1956 anhielt. Die Lehrstücke „Die Maßnahme" (1930) und die „Die Mutter" (1931) gelten als die wich tigsten künstlerischen Produkte aus dieser Ver bindung, sind Höhepunkte seines Schaffens. 1933 emigrierte Eisler auf Umwegen u. a. über Rußland in die USA, wo die meisten seiner Filmmusiken entstanden. 1948 kehrte er nach Europa zurück und kam über Prag und Wien 1950 nach Ostberlin, wo er an der Deutschen Akademie der Künste eine Kom positionsklasse leitete und an der Musik hochschule, die heute seinen Namen trägt, als Professor für Komposition lehrte. Er verstarb 1962 in Berlin und hinterließ ein Oeuvre, das mehr als 600 Vokal- und zahlreiche Instru mentalwerke (darunter drei Sinfonien, mehrere Orchesterstücke bzw. Suiten und viel Kammer musik), über 40 Bühnen- und noch mehr Film musiken umfaßt. Als Eisler 1948 nach Wien zurückkehrte, erteilte ihm der damalige Intendant des Scala- Theaters, Wolfgang Heinz, den Auftrag, die Bühnenmusik zu Nestroys Komödie „Höllen angst" zu schreiben. Die Ouvertüre dazu, die als Nonett komponiert worden ist und in die ser Besetzung heute auch erklingt, erschien später als Ouvertüre zu einem Lustspiel für konzertante Aufführungen. Ein mozartisch locke res, lustiges Thema, von Klarinette und Fagott in Oktaven vorgetragen, eröffnet das unbe schwerte, geistvolle kleine Stück. In einem Mittelteil erscheint - zuerst in der 1. Violine, dann in der Flöte - ein sanfter, träumerischer Gedanke. Kleine Kadenzen der Klarinette und der Flöte führen zu einem besinnlichen Ab schnitt, der in die Wiederkehr des munteren Ouvertürenbeginns mündet. Der böhmische Komponist Antonin Rejcha (Anton Reicha) wurde 1770 in Prag geboren. 1785 kam er als Flötist an die Kurfürstliche Kapelle in Bonn, wo er mit seinem Orche sterkollegen Ludwig van Beethoven, mit dem