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hoven zum Erstaunen brav in den aller schnellsten Tempis ausführte. Das Adagio, ein Meistersatz von schönem durchgeführten Gesang, sang er wahrhaft auf seinem In strumente mit tiefem melancholischen Gefühl, das auch mich dabei durchströmte." In der Tat ist im G-Dur-Konzert die Form des Solokonzertes mit Orchester in ganz idealer Weise gemeistert. Der Solist, dessen virtuos- pianistische Forderungen nie außer acht ge lassen, aber geistvoll als organischer Bestand teil des Werkes eingesetzt werden, und das Orchester sind hier durchaus selbständige und doch motivisch-thematisch aufs genialste miteinander verknüpfte Partner. Sie dienen gemeinsam der sinfonischen Idee, die die drei kontrastierenden Sätze des Werkes zu einer entwicklungsmäßigen Einheit verbindet, so daß man hier, wie auch beim Es-Dur-Konzert, mit vollem Recht von einer „Klaviersinfonie" sprechen kann. Als Kernstück des Konzertes, in dessen Grundhaltung die lyrisch-idyllischen Züge dominieren, ist der dialogisierende Mittelsatz mit seinem poetischen Gegenspiel von Klavier und Orchester anzusehen. Der erste Satz (Allegro moderato) bringt zu Beginn, solistisch vorgetragen, das zarte, weiche G-Dur-Hauptthema, dessen motivische Beziehung zu dem berühmten „Schicksals motiv" der 5. Sinfonie häufig aufgezeigt wurde. Auf der Dominante endend, erfährt das Thema durch einen plötzlichen Wechsel nach H-Dur eine neue Beleuchtung. Nach einer Weiterentwicklung im Tutti erklingt zuerst in den Violinen das stolze, signalartige zweite Thema. Mit diesen Hauptgedanken, die jedoch durch mannigfache neue Seiten gedanken bereichert, vom Klavier in aus drucksvollen Akkordfigurationen umspielt und immer wieder abgewandelt werden, entsteht nun ein wundervolles, von größtem Emp findungsreichtum zeugendes Zusammenwirken von Soloinstrument und Orchester, das nach der großen Kadenz rauschend-schwungvoll beendet wird. Höchste poetische Wirkungen erreicht der ergreifende langsame Satz (Andante con moto). Einer Überlieferung zufolge soll er von der Orpheussage inspiriert sein und die Bezwingung der finsteren Mächte der Unterwelt durch die Macht seelenvollen Gesanges zum Inhalt haben. In leiden schaftlichem Dialog zwischen Klavier und Orchester erfolgt, charakterisiert durch zwei äußerst gegensätzliche Themen, ein düster drohendes und ein innig-flehendes, diese entscheidende Auseinandersetzung zweier Prinzipien. Der sich unmittelbar anschließende Schlußsatz, ein Rondo, zeigt danach nun in seiner Gestaltung stürmische Lebensfreude, heitere Glücksempfindungen. Phantasievolle Kombinationen des tänzerischen Rondo- Themas und eines lyrischen schwärmerischen Seitenthemas münden in einen glanzvollen Abschluß des Konzertes. „Die Haupteigenschaften meiner Musik sind leidenschaftlicher Ausdruck, innere Glut, rhythmischer Schwung und überraschende Wendungen", schrieb Hector Berlioz, der große französische Komponist, glänzende Instrumentator, Begründer der Programmusik und Schöpfer der sinfonischen Dichtung, in seinen Lebenserinnerungen. Berlioz' Musik, die Frucht eines genialen Musikers, aber auch eines von außerordentlicher Überanstrengung gekennzeichneten schweren Lebens, spiegelte die geistige und gesellschaftliche Wider sprüchlichkeit in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts wider, insbesondere die typischen Wesenszüge der Menschen jener Epoche. Ausgehend von Beethovens Pastoral-Sin- fonie, in welcher der Wiener Klassiker bekanntlich „mehr Ausdruck der Empfindung als Malerei" verlangt hatte, machte der französische Meister die Musik zum Ausdrucksträger seiner dichterisch-program matischen Vorstellungen. Dabei erschloß er dieser Kunst einen neuen Gefühlsgehalt, eine