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778 veranlaßt glaubt, die englischen Unterthanen bedrohen zu müssen, er werde sie der Rache der Chinesen überlassen, wenn sie in Zukunst nicht anders handelten. Hier in England aber machen diese Nachrichten den unangenehmsten Eindruck, weil man die Möglichkeit eines neuen Kriegs befürchtet. Der gegenwärtige Zustand des Landes würde einen solchen zu einer sehr drückenden Last machen. Die Tories fühlen, daß sie vor Mem an die innern Verhältnisse des Landes denken müssen; sie wis sen, daß die Noth groß ist, und daß sich in den untern Volksklasscn Gedanken und Gefühle zu regen anfangcn, die immer gefährlicher wer den. Sie haben den Frieden mit China als ein sehr glückliches Er- cigniß angesehen und als ein solches ausgcgcbcn. Müßten sie aber mals Krieg dort führen, so würden sie wenigstens Diejenigen, die sie mit der Beendigung des Kriegs gewinnen zu können glaubten, Dieje nigen, die im Ereigniß allein den Finger des Geschicks und die Kunst deS Lenkers der Negierungen sahen, unter denen die Ereignisse eintreten, wieder verlieren. Dann glaubte die jetzige Regierung Ersparungen machen zu müssen. Es war sicher nicht allein um der Phrase in ber Thronrede willen, daß die Tories sich zu denselben herbeilicßen. Je denfalls aber würden diese Ersparnisse mit einem Krieg in Asien wie der zu nichte und neue große Ausgaben nothwcndig werden. Dann aber herrscht im Ganzen in England ein Geist der Erwartung der da kommenden Dinge, eine Art Ahnung bevorstehender großer Umgestal tungen. .Nach allen Seiten hin blickt man mit Spannung, und als vor ein paar Monaten aus Afghanistan und aus China zugleich so gute Nachrichten cinliefen, wurden dieselben um so besser ausgenom men, als man darin eine Widerlegung jener Befürchtungen fand. Das erklärt cs denn von selbst, warum die Möglichkeit eines neuen Kriegs in China hier alle Welt höchst unangenehm berührt. Frankreich. Plans, 16. März. Die Deputirtcnkammer nahm in ihrer gestrigen Sitzung den Gesetzentwurf über die bei der Aufnahme von notariellen Docu menten zu beobachtenden Förmlichkeiten mit 253 gegen 36 Stimmen an, bewilligte ohne alle Erörterung mit 296 gegen 2 Stimmen die von der Regierung für Guadeloupe gefederten 2'^ Mill. Fr. und be gann dann eine Berathung über die aus der Staatskasse für die Eisen bahn zwischen Bordeaux und Teste verlangte Anleihe von 2 Mill. Fr. Die Fortsetzung dieser Berathung wurde bis zur heutigen Sitzung vertagt. — Die mit Berichterstattung über den von der Regierung vorgelcgtcn Ge setzentwurf zur Unterdrückung der Runkclrübenzuckcrfabrikation gegen Entschädigung der Fabrikanten beauftragte Commission hat nach, langen Berathschlagungcn endlich entschieden, auf Verwerfung dieses Plans antragen zu wollen. Sie soll geneigt sein, das vom deutschen Zollverein angenommene System, den Runkelrübcnzuckcr im Verhält nisse zur Vermehrung seines Verbrauchs allmälig immer höher zu be steuern, zu empfehlen. — vr. Barr ach in verfolgt noch immer seine fixe Idee, die Tür kei umgestalten zu können. In einem ausführlichen Schreiben, wel ches die Gazelle de France veröffentlicht, beklagt er sich bitter, daß seit zwölf Jahren auch nicht ein einziger französischer Minister, obwol er sich an alle gewendet, auf seine Ideen eingehcn gewollt, alle vielmehr in Bezug auf das Schicksal der Türkei in der Zukunft den Grundsatz aufgestellt hätten: Kommt Zeit, kommt Rath. Das Ideal, was er verwirklichen möchte, wenn es ihm nicht an den dazu nöthigen Mit teln gebricht, schildert er so: „Aufrcchthaltung des europäischen Gleich gewichts durch Erhaltung des osmanischen Reichs, mit Beschränkung der Ausdehnung unter dem Namen Ottomanien, gesichert durch Eman- cipation der Rajas zur vollständigen Gleichheit der bürgerlichen, reli giösen und politischen Rechte. Demgemäß Wiederherstellung eines asiatischen Kaiserthums am Bosporus mit Thracicn und den asiatischen Provinzen: über -16,000 Quadratlieucö. 2) Vergrößerung des grie chischen Staats durch Rückgabe von Kandicn, Epirus, Albanien, Thes salien und Maccdonien. 3) Begründung einer katholischen Monarchie in Syrien mit Cypern. 4) Unabhängigkeit Aegyptens und der Barba- reskenstaatcn, Begründung von Monarchien daselbst, vollfkändigc Be gründung eines arabischen Reichs unter Mohammed-Alis Dynastie, mit dem Titel eines Königs oder Padischah und zweier Königreiche in Tunis und Trivolis. 5) Eröffnung der Landenge von Suez mit Frei heit für alle Nationen gegen Durchgangsgebühren, die durch einen Vertrag bestimmt würden. 6) Errichtung eines unabhängigen Bundes der fünf Staaten Bosnien, Serbien, Bulgarien, Walachei und Mol dau unter dem Namen Donaubund. Vertragsmäßige Ordnung der Donauschiffahrt. Einführung des Code Napoleon in diesen Staaten!" — Die HH. Casimir und Germain Dclavignc hatten auf die neuer dings in Frankreich hervorgcrufene Aufregung gegen England spccu- lirt und wollten unter dem Titel Charles VI. eine Oper zur Auffüh rung bringen, in welcher Hr. Halevy den stärksten Auffoderungcn zu Haß und Kampf gegen England durch die Macht der Musik noch größern Nachdruck verliehen hatte. Die Thcatcrccnsur widersetzte sich jedoch, und erst nach vielfachen Abänderungen, worunter besonders eine sinnentstellende Umgestaltung deS Rufes: „Krieg den Engländern!" in Krieg den Tyrannen!" hervorgehoben wird, ist die Aufführung ge stattet worden. -Plans, 16. März. Der ministerielle Globe witzelt heute dar über, daß Hr. de Lamartine, welcher in seiner ersten diesjährigen Rede erklärte, er werde überall und jederzeit mit der Linken von nun an stimmen, in Betreff der Motion Sade zu Gunsten des Cabinetö reden will. Der Globe möchte daraus den Schluß ziehen, daß Hr. de Lamartine nicht lange mehr an der Spitze der Opposition sich ge fallen wird. Jedermann, der die oben erwähnte Rede des Hrn. de La martine gelesen hat, wird sich erinnern, daß, obgleich er wirklich darin erklärte, er werde in der Zukunft überall das Regierungssystcm an der Seite der Opposition bekämpfen, er zu gleicher Zeit Lie Bemerkung hinzufügtc, daß er in Betreff einiger weniger Specialfragen, worin er mit der Opposition nicht übereinstimmt, sich die Freiheit scincs Votums Vorbehalte. Die Ausschließung der Beamten aus der Kammer wurde vor einem Jahre durch Hrn. Ganneron in Vorschlag gebracht. Man erinnert sich, daß Hr. de Lamartine diesen Vorschlag damals be kämpfte. Um sich selbst konsequent zu bleiben, kann und darf er die Proposition Sade, die nur eine Wiederholung jener des Hrn. Gan neron ist, nicht unterstützen. Würde er anders handeln, so könnte man ihm mit Recht verwerfen, daß er mit dem Ucbcrgange zur Op position seine früher« Grundsätze vcrläugnet habe, was Viele noch zu glauben scheinen, weil sie bei der Beleuchtung dcö Benehmens des Hrn. de Lamartine nur oberflächlich verfahren und sich nicht die Mühe ge ben wollen, dergleichen vom buresu 6v I esprit puklio des Hrn. Gui- zot in die Welt hinausgeschicktc Gerüchte zu beleuchten. So könnte das Auftreten des Hrn. de Lamartine gegen die Ausschließung der öf fentlichen Beamten als ein Widerspruch zu dem echten Princip der Volksrcpräsentation ausgelcgt werden, während cs im Grunde nur die logische Folgerung der wahren politischen Gleichheit bildet. Was be zweckt die Proposition Sade? Etwa die absolute Ausschließung der Staatsbeamten, also die Aufstellung eines politischen Princips? Nicht im Geringsten. Sie strebt zuvörderst dahin, eine Scheidewand zwischen den Justiz- und den Vcrwaltungsbeamten zu ziehen. Während er stem der Zutritt in die Kammer eben so uneingeschränkt als bisher offen stehen soll, werden die letztem daraus verbannt. Und aus wel chem Grunde? weil die erstem von ihrem Amte nicht abgcsctzt werden können, da sic unabsetzbar (inunMvilUes) sind, während die andern, weil sie amovible« sind, leichter von^ den Ministern .beherrscht und geleitet werden können. Wenn die Justizbeamten auf vcr einmal er haltenen Stelle bleiben müßten, ohne eine Beförderung erwarten zu dürfen, ließe sich der Unterschied, den man zwischen ihnen und den po litischen Beamten macht, einigermaßen rechtfertigen. Aber von dem einfachen Vertreter des Staatsanwaltes biß zum Präsidenten eines Obergerichts hinauf, wie viele Klassen von Beförderungen gibt es nicht, wodurch das Cabinet das Gewissen der Justizbeamten, die in der Kammer sitzen, kaufen kann! Haben wir z. B. nicht vor einem Jahre Hrn. de Golbery gesehen, den Hr. Guizot durch die Beförde rung von dem Posten eines Gerichtsraths zum Gencralprocurator in Colmar aus einem der erbittertsten Gegner zu einem der eifrigsten Ver- theidiger des Cabincts vom 29. Oct. machte? Wenn also ein Mini sterium auf die Justizbeamten eben so leicht als auf die politischen und Verwaltungsbcamtcn die Bestechungskunst ausüben kann, gibt cS ei nen hinlänglichen Grund, um gegen die letzter» ein absolutes Verdam mungsurtel zu sprechen? Die Stärke eines Staates wie des jetzigen Frankreich seit der Julircvolution besteht in der Einheit und Gleichheit aller Staatskräfte. Die Proposition Sade räumt den Justizbeamten eine Bevorrcchtung vor den Verwaltungsbeamten ein. Die Einführung von besonder« Kasten ist mit vielen Gefahren verbunden. Die Geschichte Frankreichs lehrt uns, daß das Parlament, wie es früher bestand, aus einem Justizkörper sich eigenmächtig in eine politische Institution verwandelte, welche das Land beherrschte. Wer ist uns Bürge dafür, daß wir nach Ausschließung der politischen Beamten aus der Kam mer nicht lauter Gencralprocureurs dafür erhalten, mit deren Hülfe dann die Regierung die ihr beliebigen Gesetze noch leichter als gegen wärtig in der Kammer durchsetzen wirb? Man muß den Einfluß, den ein Staalsprocurator, vorzüglich in der Provinz ausübt, kennen, um ich zu überzeugen, daß die Annahme der Proposition Sade bei den lächsten Wahlen uns im Allgemeinen mehr solche Beamte in die Kam mer senden würde, als an politischen und Justizbeamten zusammen gegenwärtig im Palais Bourbon sitzen. Was würde Frankreich ge winnen, wenn die Zahl der Dupin, Herve, Hcllo und Anderer in der Kammer vermehrt würde? Nichts Anderes als neue Einschränkungen der bürgerlichen Freiheit. Darum ist die Proposition Sade keine nütz liche Reform, so lange sic nicht ein radikales Mittel in Vorschlag brin gen wird, um der Bestechlichkeit der Staatsbeamten für immer Ein-