Lied und der Kammermusik gewidmete Schaf fensperiode abschloß und sich größeren Schöpfungen zuwandte, Es ist zugleich das Werk, mit dem der Komponist - nach der Züricher Premiere von 1926 - europäischen Ruhm gewann und mit dem er auch - 1927 beim Concertgebouw-Orchester in Amsterdam - seine Laufbahn als Dirigent einleitete. Der „Psalmus Hungaricus" bedeutet fraglos einen Höhepunkt in der gesamten ungarischen Mu sikkultur. Er ist jedoch nicht nur ein nationales Kunstwerk von hohem Rang, sondern eines der großartigsten Tonwerke des 20. Jahrhun derts überhaupt. Den Text des monumentalen Werkes bildet der 55. Psalm des König David in der freien Übersetzung aus dem Lateinischen in das Un garische von Mihäly Veg aus Kecskemet, ei nem ungarischen Dichter-Prediger des 16. Jahr hunderts. Der Psalm war immer ein Gesang der Verfolgten und Bedrängten, doch nicht nur Ausdruck ihres Leides, zugleich auch eine Quelle für Trost, neue Kraft und Hoffnung. Veg, ein Zeitgenosse der Reformation und der Zoltän Kodäly im Gespräch mit A4. Caridis (im Hintergrund Van Cliburnl bei den Internationalen Musikfetwochen Luzern 1961) türkischen Besetzung Ungarns, gestaltete seine Umdichtung des Psalmes als ergreifende Klage über die traurige Lage und die Not seines Volkes in damaliger Zeit. Als Kodäly diesen Text, den er schon als Student kennengelernt hatte, vertonte, ging es ihm von vornherein nicht nur darum, Klagen und Sorgen längst vergangener Zeiten darzu stellen, sondern er ließ eigenes Zeiterleben und persönlichen Schmerz in seine empfin dungstiefe Partitur einfließen. So mischen sich denn im „Psalmus Hungaricus", diesem Spie gel nationaler Not, nationalen Freiheitsdran ges, die Klage des alttestamentarischen Kö nigs mit dem Gram des altungarischen Dichters und den schmerzlichen Gedanken des Komponisten, der für seine Haltung zur Zeit der Ungarischen Räterepublik 1919 ver folgt, gemaßregelt und zum Schweigen ge zwungen worden war. Erst 1921 durfte er seine Lehrtätigkeit an der Budapester Musik hochschule fortsetzen. Kodäly erweckte die Worte des Psalm dichters mit flammender Leidenschaft zum Leben, ihren Inhalt, ihre Stimmung förmlich mit visionärer lyrisch-dramatischer Kraft erfassend. Die Musik, die sich ausdrucksmäßig und formal eng an den Text anschließt, ist ergrei fend und erhebend zugleich. Ihre pentatoni- sche Melodik, deren Wendungen selbst in den diatonischen und chromatischen Teilen spürbar sind, verschmilzt auf organische Weise mit westeuropäischer Harmonie- und Formensprache. Den leicht überschaubaren Aufbau bildet eine Rondoform mit sechs Zwischenspielen. Das Hauptthema erklingt mit dem ersten Choreinsatz: ein Unisono-Gesang der Alt- und Baßstimmen von pentatonischem Charakter. Dieses Thema erscheint fünfmal als Chorritor- nell wieder und unterstreicht die ernste, kla gende Grundstimmung des Gedichts. Fast wie ein zweites Thema ist die kurze, schwerblütig leidenschaftliche Orchestereinleitung behandelt, die verschiedentlich, wenn auch nicht so sym-