Volltext Seite (XML)
Wie ich das gemacht habe: Ich bin seit fast fünfzig Jahren mit dem Stil von Brahms und seinen Prinzipien gründlich bekannt. Ich habe viele seiner Werke für mich selbst und mit meinen Schülern analysiert. Ich habe als Violaspieler und als Cellist dieses und viele andere Werke oft gespielt; ich wußte daher, wie es klingen soll. Ich hatte nur den Klang auf das Orchester zu übertragen, und nichts sonst habe ich getan. Natürlich gab es da viele schwere Pro bleme. Brahms liebt sehr tiefe Bässe, für welche das Orchester nur eine kleine Zahl von Instrumenten besitzt. Er liebt volle Begleitung mit gebrochenen Akkordfiguren, oft in verschiedenen Rhythmen. Und die meisten dieser Figuren können nicht leicht geändert werden, weil sie in seinem Stil gewöhnlich strukturelle Bedeutung haben. Ich glaube, ich habe diese Probleme gelöst." Der Versuch, mit den noch immer als be grenzt empfundenen Mitteln des großen Sinfonieorchesters in der Musik des Klavier quartetts „alles zu hören", war natürlich ein höchst subjektiver, und Igor Strawinsky war damit, wie Schönberg „diese Probleme gelöst" hatte, alles andere als einig: „Selbst Schönberg, der immer ein Meister der Instrumentation war ..., strauchelte bei dem Versuch, Klavier-Arpeggien von Brahms für Orchester zu übertragen", äußerte er in einem Gespräch mit seinem Privatsekretär Robert Craft. Freilich muß man auch nicht davon ausgehen, daß Schönberg jenem Journalisten grenzenlosen Einblick in seine Komponierwerkstatt gestattete. Für Schönberg bedeutete diese intensive Beschäftigung mit Brahms offensichtlich auch, daß er eine innere Schaffenskrise überwand, in die er nach den ersten Jahren in der Emigration geraten war. Aus der Beschäftigung mit Musik früherer Epochen fand er zurück zu eigenen, älteren Werken, die rund 25 Jahre zuvor unvollendet liegengeblieben waren. So erhielt er nun den entscheidenden Impuls zum Abschluß seiner seit 1916 ruhenden Arbeit an der 2. Kammersinfonie. Arnold Schönbergs Orchesterbearbeitung des Klavierquartetts g-Moll op.25 von Johannes Brahms ist ein Kompendium an Phantasie, an Klangfarbenbrillanz, die gleichzeitig zum Ubermittler analytischer Schärfe wird, an Überspitzungen, die Brahms manchmal an Bruckner heran -, manchmal über die „Neudeutschen" ins Zeitgenössische überführen. Schönberg, der an diesem von ihm geliebten Kammer musikwerk „einmal alles hören" wollte, verstärkt im Kopfsatz Schlußwendungen durch Blechbläser, setzt mit Triangel, Becken und Xylophon humorvolle Glanz lichter, färbt thematische Entwicklungen der Durchführung in knappeste Dialoge um. Äußerst delikat erklingen im „Intermezzo" graziöse Oboenfiguren über Streicher repetitionen, organisch wandelt sich die oft melancholisch zurückgenommene Emphase des Andante in den marschartigen Mittelteil, dem Becken und Trommeln den Anklang an Gustav Mahler verleihen. Isabel Hezfeld An Schönbergs Einrichtung ist zu lernen, in wie starkem Maße zu unserem Bilde großer Meister der Vergangenheit auch die