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bend", schrieb die Zeitung „Morning Chronicle" nach der Auf führung vom 24. Februar 1794. Selbstverständlich erklingt das Werk in der von Haydn entworfenen Ur gestalt und nicht mehr, wie es jahr zehntelang Praxis war, in der an fechtbaren Bearbeitung von Hans Sitt, in welcher ganze Abschnitte verändert, die Instrumentation „be reichert" und dynamische Vorschrif ten willkürlich geändert worden waren. Mit dem Ballett „Der Feuervogel" errang im Jahre 1910 in Paris der damals 28jährige Igor Strawinsky einen Sensationserfolg. In rascher Folge entstanden danach, unter be stimmendem Einfluß des Choreo graphen Sergej Djagilew, jene bei den Ballette, die den erworbenen Weltruhm des jungen Komponisten sichern halfen: „Petruschka" (1911) und „Le sacre du printemps" (Das Frühlingsopfer). Die von Pierre Monteux dirigierte Urauffüh rung des „Sacre" am 29. Mai 1913 im Pariser Theätre des Champs- Elysees durch die Ballets Russes in der Choreographie W. Nijinskis gestaltete sich allerdings zu einem ungeheuren Theaterskandal; es kam zu Raufereien, und der Tumult im Zuschauerraum übertönte zuwei len die Musik derartig, daß die Tän zer auf der Bühne größte Schwie rigkeiten hatten, mit dem Orchester in Einklang zu bleiben. Der als „barbarisch" empfundene Rhythmus, aber auch die gehäuften Dissonanzen des Werkes, das zu den typischsten Äußerungen des musikalischen Expressionismus ge hört, wurden vom Pariser Publikum, das sich damals auch Balletten von Debussy und Ravel gegenüber ab weisend verhalten hatte, abgelehnt. Erst ein Jahr später gelang es Monteux, mit der ersten Konzertauf führung des „Sacre" im Casino de Paris einen enthusiastischen Erfolg zu erzielen, der sich in der zuneh menden Popularität der 1947 revi dierten Orchestersuite dokumentiert hat. Heute gilt die Komposition un bestritten als ein Meilenstein in der Geschichte der Musik, als eine der großartigsten und umwälzendsten musikalischen Schöpfungen unseres Jahrhunderts. ,„Sacre du printemps' ist ein typi sches Werk jener Epoche. Man darf es nicht für zufällig halten, daß es nur ein Jahr später als Skrjabins ,Promethee' entstand, zwei Jahre später als Strauss' ,Elektra', etwa gleichzeitig mit Bartöks ,Herzog Blaubarts Burg', Ravels ,Daphnis und Chloe', Rachmaninows Chor sinfonie ,Kolokola' (,Die Glocken'), Mahlers 9. Sinfonie, Schönbergs ,Pierrot Lunaire', kurze Zeit vor Prokofjews ,Skythischer Suite'. Obwohl all diese Werke durchaus nicht gleichartig sind, gibt es in ih nen doch etwas Gemeinsames: Züge der Krise, ein Vorgefühl künf tiger Katastrophen, Raserei der Gefühle, großartige expressive Höhepunkte. Nicht selten erscheint in ihnen auch die Gestalt des To des als Symbol bevorstehender un vermeidlicher Opfer, der Furcht vor Die Uraufführung des "Sacre" im Jahre 1913 gestaltete sich zu einem ungeheu ren Theater skandal