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Reformbestrebun gen der Zeit äußern sich auch in einer neuen Form der Mozartschen Ouvertüren Die "Zauber flöten Ouvertüre gehört zu den reifsten und tiefsinnigsten, die Mozart je komponierte Spieldauer: ca. 8 Minuten ZUR EINFÜHRUNG Es entspricht ihrer musikalischen Bedeutung, daß sich alle Opern ouvertüren Wolfgang Amadeus Mozarts aus der Wiener Zeit auch im Konzertsaal etabliert haben, zählen sie doch zu den bedeutend sten Schöpfungen in dieser Gattung überhaupt. Beginnend mit der Ou vertüre zur opera seria „Idomeneo" im Jahre 1781, in der er sich end gültig vom erstarrten Schema der italienischen sinfonia loslöste, ver wirklichte Mozart in allen nachfol genden Ouvertüren in exemplari scher Weise die von der Musik theorie (Mattheson, Quantz, Schei be) schon lange erhobene Forde rung nach einer inhaltlich auf die Oper bezogenen Ouvertüre. Gleichzeitig folgte er auch den Reformideen Glucks, der ja bereits vor ihm die alten Typen der franzö sischen und italienischen Ouvertü re zugunsten einer neuen einsät- zigen Form (mit langsamer Einlei tung) aufgegeben hatte. Ihre Bedeu tung erklärt sich freilich nicht allein aus der Nähe zu den Reformbestre bungen der Zeit, sondern aus ihrer musikalischen wie geistigen Eigen ständigkeit, ihrer unverwechselba ren Individualität. Im Unterschied zur späteren Pot pourriouvertüre, die inhaltlich kon kretisierend durch vorweggenom mene Zitate die wichtigsten Themen der Oper musikalisch zusammen faßt, realisiert Mozart eine autono me instrumentale Komposition mit eigener Thematik und trifft so den geistigen Gehalt, die Aussage, den Ch arakter der nachfolgenden Oper. Statt musikalischer Ähnlich keiten gibt es eine geistige Bezie hung zwischen Ouvertüre und Oper. Die Ouvertüre gibt nicht den dramatischen Verlauf wieder, son dern sie erfaßt das Wesen der Oper. Die Ouvertüre zur „Zauber flöte", d ie Mozart wenige Mona te vor seinem Tod komponierte, ist vielleicht die reifste, tiefsinnigste Ausformung seiner Ouvertüren-Kon- zeption. In ihrer unentschiedenen Haltung, einer seltsamen Mischung von Strenge, Verspieltheit, Trauer und festlichem Glanz, ist sie nicht weniger geheimnisvoll und doppel bödig wie die nachfolgende Oper selbst. Und da es in dieser Oper um eines der zentralen Probleme der Ge schichte geht, nämlich die Entzau berung der alten Welt durch die Aufklärung und die kritische Durch leuchtung des neuen Menschenbil des, wird in der Ouvertüre, die ja auch diesmal die geistige Basis bereitstellt, tatsächlich zunächst die Welt erschaffen - gleich dem Schöp fungsakt, in der Reihenfolge Gestir ne- Natur-Mensch. Man kann die se Vorgänge im Detail nachweisen - wie etwa die drei Dreiklänge des Anfangs, die den Schöpfungsakt symbolisieren, in der langsamen Einleitung zu einem dynamischen Dreiklangsmotiv weiterverarbeitet werden, zu leben, aufzukeimen beginnen, und nur in wenigen Tak-