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Bericht. ein Jahr später - die erste Wiener Auf führung unter Hans Richter zu wagen. Gegen den auch dort einhelligen Erfolg stemmte sich nur der Bruckner-Gegner Eduard Hanslick erwartungsgemäß, schrieb einen seiner üblichen Verrisse und hörte nur „unabsehbares Dunkel". Wie war der plötzliche Durchbruch des Sinfonikers Bruckner möglich? Ähnlich wie die beiden vorher gegangenen Sinfonien gelang auch die „Siebente” in einem Durchgang, und sie spricht ganz Bruckners eigene Sprache, obwohl die Coda des langsamen Sat zes unmittelbar unter dem Eindruck der Nachricht, daß Wagner gestorben sei (13. Februar 1883), komponiert wur de. Von Wagner übernahm Bruckner nur die sogenannten „Wagner"-Tuben, die dem Hörnersatz eine zusätzliche Farbe verleihen, sonst nur noch gewisse chro matische Wendungen. In seiner melo dischen Erfindung ist Bruckner gerade in der E-Dur-Sinfonie ganz bei sich. Die ersten Kritiken lobten denn auch insbe sondere den klaren formalen Aufbau, sprachen von formaler Schlüssigkeit und rühmten die „ Klassizität" des Wferkes, man che meinten sogar, Bruckner sei der größ te Sinfoniker seit Beethovens Tod. Der erste Satz ist ein weitausgreifender Sonatensatz mit einem bei Bruckner ein zigartigen melodischen Hauptthema, das sicher die Zuhörer von jeher in sei nen Bann gezogen hat. In zwei jeweils über vierundzwanzig Takte hinweg strömenden Wellen ereignet sich, wie es Max Dehnert ausdrückte, „die Ge burt der Melodie aus dem Geiste der Harmonien". Kein anderes Hauptthema Bruckners weist einen solchen Atem auf. Seine Art der „unendlichen Melodie" kann sich, im Gegensatz zu Wagner, aussingen. Tiefe Trauer ist der Inhalt des Adagio-Satzes, doch fehlen auch nicht Züge des Trostes und gläubiger Hoff nung. Das ernste Hauptthema tragen die Leipzig. Kint'oncert, *o gar nicht nachdem Recept, wel che« gemeinhin für Aufstellung der Symphonieconcerte der Concert Institute benutzt wird, dabei in der Ausführung Reiner . Hauptnunimern von ausgesuchtester Güte, war das, welches am Abend des 30. Dec. im Neuen Stadttheater stattfand und mit seinem von llrn. Director Staegemann und dessen excellentem [ Capellmeister Hm. Niki sch planvoll entworfenen modernen Programm speciell die dieewinterlichen GewandhaiisconcPrte mit ihrer hyperclaamachen Physiognomie in wirklich erfri schendster Weine unterbrach. Seine llauptnummer bildet«* di«* Ootnpnsition eines hochbegabten, hier vorher gänzlich unbe kannt gewesenen österreichischen Tonsetzers, di«t 7. Symphonie des Wiener Hoforg&nisten Anton Bruckner, die weiteren Haupt bestandteile waren Idszt’s symphonische Dichtung „Les Pr£- ludes* und zwei Fragment© aus Wagner’s „Götterdämmerung“: die Scene der drei Rheintöchter und Siegfried’«, sowie Brüun- hilde's Schlussacene. Dazwischen spielte Hr. Hofpianist Pohlig ans Sondershausen die Wanderer-Phantasie von Schubert-Liszt und Liszt's „Don Juan •‘-Phantasie. Die Symphonie von Anton Bruckner hat uns im höchsten Grade interessirt, in ihrem 2. und 3. Satz, Adagio und Scherzo, uns sogar die wärmste Bewunde rung abgenöthigt. Dieser Componiat weisn wirklich etwas Kige- nes und dabei Bedeutendes zu sagen, eine seltene Ursprünglich keit der musikalischen Ideen zeichnet sein Werk aus. Das Tiefste, Nachhaitigate gibt er im Adagio, einem ganz herrlichen Tonstück, da« in der Erfindung der Hauptthemen wahrhaft Beethoven’ache Erhabenheit zeigt und den Hörer bis zum Ende des aanelhe beschliessenden weihevollen Trauerhymnus in Athem erhält. Nicht minder originell ist dasScberzo, ein Muster leichtflüssiger Productionskraft und durchaus orchestral ge dacht. Im 1. und 4. Satz will es dem Hörer an einigen Stellen erscheinen, ala würde der logische Faden der Entwickelung unterbrochen , als wäre die Verbindung der einzelnen Theile eine mehr äuaaerliche und stocke der symphonische Fluss. Inhalt lich Bind aber auch diese beiden Sätze von grossem Interesse, ja von einem Reichthum der Gedanken, um w«*lchen der Com- ponist zu beneiden ist. Erhöht wird die Kindrucksfähigkeit dieser Symphonie durch eine glänzende Instrumentation. Hr. Capellmeister Nikisch batte die Novität bewundernswürdig ein- studirt, die Ausführung glückte ungemein und gereichte der Capelle zu höchstem Ruhme. Der anwesende Componist wurde nach dem 4. Satz seines hochbedeutenden Werkes gerufen und musste zwei Lorbeerkränze, eine verdiente Auszeichnung, ent- gegennehmen. petenthema gibt entscheidende Impul se. Idyllik und walzerselige Beschaulich keit herrschen im Trioteil. Nach einer spannenden Generalpause setzt wieder das hastende Scherzo ein. Das Hauptthema des Finales ist aus dem des ersten Satzes abgeleitet, wobei sich das feierliche Pathos jenes Gedankens nunmehr ganz ins Heldische, Kraftvoll- Stürmische gewandelt hat. In -As-Dur stimmen die Violinen, über monotonem Pizzikato der tiefen Streicher, ein ein drucksvolles Choralthema an, Ausdruck urtümlichen Gottvertrauens, wie es Bruckner eigen war. Dennoch gewinnt der Choral nicht die Bedeutung, die ihm als zweitem Thema eigentlich zukäme. Ein markanter dritter Gedanke löst Aus einandersetzungen aus. Die ausgedehn te Durchführung beginnt wuchtig mit dem Hauptthema. Die großartige Stei gerung der Coda findet in einem Or gelpunkt auf E ihren Höhepunkt. Nicht grundlos nannte eine Kritik aus dem Jahre 1 887 das Werk einen „vom Kopf bis zum Fuß geharnischten Riesen". Es ist außer der „Sechsten" die einzige Sinfonie, die Bruckner nicht umgearbei tet hat. Concert-Bericht in der Januar- Depesche 1885 des "Musikalischen Wochenblattes" Wagner-Tuben „sehr feierlich" vor. Die trostvol le Streicherstelle entstammt Bruck ners gleichzeitig entstandenem „Te deum". Lebenssprühend ist der Charakter des nach klassi schem Muster gebauten Scher zos, das auf das entrückte Ada gio folgt. Ein fast kämpferisches, trotziges Trom-