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ZUR EINFÜHRUNG Eine letzte sinfonische Dichtung Spieldauer: ca. 55 Minuten Max Steinitzer: "Niemand, der das Werk etwa mit einem bloßen Hinweis: 'Ein hg in den Alpen' anhörte, würde sich seiner Großartigkeit entziehen können." © Mit seiner „Alpensinfonie" hatte Richard Strauss als Komponist von sinfonischen Dichtungen sein letztes Wort gesagt. Seit eineinhalb Jahrzehn ten war er mit den Werken „Salome", „Elektra" und „Der Rosenkavalier" ei ner der bedeutendsten Opernkomponi sten der Welt geworden und hatte gleichzeitig die Mißerfolge seiner bei den frühen Bühnenwerke „Guntram" und „Feuersnot" (auch wenn diese Opern im Vergleich zu heute zeitgenös sischen Werken doch sehr häufig ge spielt worden waren) vergessen ge macht. Es ist sehr wohl möglich, daß sich der Sinfoniker Strauss zunächst ausge schrieben hatte und nunmehr des Wor tes, das ihm so herausragende Libretti sten wie Oscar Wilde und Hugo von Hofmannsthal lieferten, zur Inspiration bedurfte. Das war in den Anfängen anders ge wesen. Strauss hatte mit einer vier- sätzigen Tondichtung „Aus Italien" be gonnen - vier Stimmungsbilder von ei ner Kunstreise, die sich wie vier Sätze einer Sinfonie ausnehmen. In Köln hat ten sie kurz nach ihrer Entstehung durch das Gürzenich-Orchester eine erfolgrei che Erstaufführung. Dann wurden seine literarischen Themen von ihm enger gefaßt, die Bilder fester Umrissen. Es ent standen „Don Juan" und „Macbeth", bei denen das Publikum schon durch die Titel alle Signale empfing; „Tod und Verklärung" entsprach der zeitgenössi schen Bildwelt und brauchte kein Pro gramm für den Hörer, ebenso wie die drei folgenden Tondichtungen"Till Eulenspiegel","Also sprach Zarathustra" (wo das gebildete Publikum sich infor miert wähnte), und „Don Quixote". Schon mit "Ein Heldenleben" beschrift Strauss unsicheren Boden; es war eine autobiographische Komposition, aber ganz auf sein eigenes Werk bezogen, gab Anlaß zu Rezensionen, die bis zur Gehässigkeit gingen, die aber nichts waren im Vergleich zu dem, was seine „Sinfonia Domestica" an Kommentaren auslöste, in der Strauss sein Privatleben in einem Programm preisgeben zu müs sen meinte und das im Zwang zu erklä ren, wo er besser die unglaublich bril lante Komposition hätte wirken lassen sollen. Auch bei „Eine Alpensinfonie" hat das Programm, das ihr Richard Strauss bei gab, die Rezeption durch das Publikum keineswegs erleichtert. Schon Max Steinitzer schreibt in seiner 1922 ver öffentlichten Biographie: „Zwei Dinge waren dabei auch hier wieder von vorn herein klar: einmal, daß kein zweiter Lebender dieses Werk hätte schreiben können, und dann, daß der volle Ein druck nur jenem Hörer zuteil wurde, der die Einzelheiten der zahlreichen, schon in der Partitur vermerkten Programmer läuterungen nicht kannte, oder dem es gelang, sie beim Anhören zu vergessen. Auch hier wiederholte sich, wie bei al len Strauss'schen Orchesterdichtungen, der Fehler, daß zu viel verraten und da durch dem inneren Schauen des Zuhö rers, das diese Musik im höchsten Maße anregen könnte, eine Fessel angelegt wird. Niemand, der das Werk etwa mit einem bloßen Hinweis: ,Ein Tag in den Alpen' anhörte, würde sich seiner Groß artigkeit entziehen können. Auch keine irrige Deutung in Bezug etwa auf das Nachtdunkel, Sonnenaufgang, Anblick der Bergwelt, Gewitter, Trübung des Ta geslichts, Sonnenuntergang und Zurück sinken in die Nacht, keine irrige Auf fassung in Bezug auf den geistigen Hauptinhalt, die Gefühle des Wande rers, wäre denkbar. Das leichte Gefähr den der Stimmung durch kleine spielen de Malereien, wie das Getriebe auf der Alm oder die doch nur in der Vor-