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ZUR EINFÜHRUNG Strauss, Nietzsche und die Kunst, "auf Bergen zu leben" Friedrich Nietzsche Strauss' emanzipa- torisches Weltbild ließ nur einen prometheischen, entgötterten Naturbegriff zu Stephan Köhler „Ich will meine Alpensinfonie: den Antichrist nennen . . Der Naturbegriff in der Musik war zu Beginn des 19. Jahrhunderts mit Beet hovens 6. Sinfonie, der „Pastorale", so schien es, für eine Zeitlang verbindlich formuliert: Mensch und Natur einte ein pantheistisch-ideales Einverständnis, zu dessen klanglichem Medium eine Mu sik nicht der „Malerei", sondern der Empfindung« ausersehen war - galt ih rem Schöpfer doch "Natur" als göttli che Komponente der menschlichen Exi stenz, als Zone der Wahrheit, wo in er lesenen Momenten Mensch und Gottheit ihre ursprüngliche Wesensverwand schaft erneut bestätigt fühlen können. Franz Liszt, der Protagonist einer "Er neuerung der Musik durch ihre innige re Verbindung mit der Dichtkunst" (wie es in einem Brief an Agnes Street- Klindworth heißt), ersetzte dann Beet hovens idealistische Postulate durch ei nen literarisch vermittelten Naturbegriff, für den Victor Hugos Weltschmerz-Ge dicht "Ce qu'on entend sur la montagne" die Textvorlage lieferte. In Liszts "Berg-Sinfonie" sind Menschheit und Natur antagonistisch eingesetzte Gegner; es ist der romantische Konflikt zwischen Ideal und Wirklichkeit, der in der Brust des Künstlers ausgetragen und am Ende nur durch Zuflucht zum Gebet harmonisiert wird. Die religiöse Deutung des Naturbegriffs, bei Beethoven noch Ausdruck für die Gottnähe des Men schen, weicht der Idee einer metaphy sischen "Erlösung", die die verlorene Einheit des menschlichen Geschöpfs mit der Natur aufs neue stiften soll. Dieses Integrationsbedürfnis war für Ri chard Strauss, den Nietzsche-Jünger, nicht mehr gegeben; sein emanzipato- risches Weltbild ließ nur einen promet heischen, entgötterten Naturbegriff zu, dessen weltanschauliche Prämissen Strauss mit vielen Zeitgenossen, so auch mit Gustav Mahler, teilte, der in seiner 3.Sinfonie dem heidnischen Pan mit zahlreichen (später getilgten) Nietzsche- Zitaten huldigte - zur selben Zeit, als Strauss"Also sprach Zarathustra", eine "Tondichtung frei nach Nietzsche", schrieb. Zwei Jahre vorher, 1894, war in Weimar Strauss' Bühnenerstling "Guntram" uraufgeführt worden, dessen Titelheld der junge Dichterkomponist die bekenntnishaften Worte in den Mund legte: „Mein Leben bestimmt / Meines Geistes Gesetz; / Mein Gott spricht / Durch mich selbst nur zu mir!" Diese Sätze sind ohne das geistige Vorbild Nietzsches nicht denkbar. Und anders als Mahler, der Nietzsche später ab schwor, sollte Strauss dem Einsiedler von Sils-Maria zeitlebens die Treue halten. Nichts beweist dies überzeugender als das weltanschauliche Programm, das Strauss' letzter großerTondichtung "Eine Alpensinfonie" ursprünglich unterlegt war und das der Komponist des "Ro-