Kompliziertheit entzog, sondern ihm im | Gegenteil mehr von seinen Lebensumständen verriet als alle redseligen Oratorien über Folkloremelodien oder Opern aus dem sowjeti schen Heldenleben“ (Michael Struck-Schloen). Doch Schostakowitsch war auch zum Kampf bereit, nicht in der politischen Arena, sondern mit seinen Waffen, der Musik. So verwendete er in neuen Schöpfungen ältere Fragmente aus seinen Arbeiten, solche, die seinerzeit offen kri tisiert worden waren, und weichte damit Verkrustungen auf, die ihn eigentlich hindern sollten, „modern“ zu sein. Seine Tonsprache wurde immer selbstbewußter, fühlte er sich doch auf einem richtigen Weg. Nach der Stalinära kamen ältere, seinerzeit abgelehnte Werke allmählich wieder in die Programme. Ungeachtet der mannigfachen Auseinander- I Setzungen mit dem sowjetischen System blieb Schostakowitsch zeitlebens ein unverbrüchlich loyaler Bürger seines Landes. So hatte er auch „linientreue“ Werke in verständlicherer Ton- i spräche komponiert, doch gab er seine künst lerische Integrität niemals in einer ihm unver antwortlich erscheinenden Weise preis. Daß er quasi bis zuletzt tonal komponierte, als habe es in unserem Jahrhundert keine geradezu um- | stürzlerischen Musikauffassungen gegeben, heißt keineswegs, daß er in einer veralteten Musiksprache stehengeblieben sei. Er stellte die Ton- und Harmoniebezogenheit auf eine völlig eigenständige Weise in Frage, verfremdete sie | z. B. mit chromatischen Eintrübungen, zerlegte seine melodisch gebundenen Motive in kleinste Partikel, rhythmisierte sie neu und entwickelte sowohl hart schlagende als auch weich klin gende Episoden, die, in einen Kontext gebracht, i die Besonderheit, die Individualität seiner I Musik ausmachen. Oft zeigte sich der Kom ponist in seinen Werken ironisch-satirisch, na hezu sarkastisch und mit einem bis zur Groteske reichenden Humor, dann wiederum lyrisch-