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DRESDNER PHILHARMONIE Die Hexe aber holte einen leuchtenden Zau berstab hervor: „Hokuspokus, Hexenschuß!“ Die Kinder standen gebannt und waren völlig er starrt. Nun nahm das krumme Weiblein den wehrlosen Hänsel und führte ihn in einen Stall. Und - ratsch - war eine Gittertür hinter ihm ge schlossen. Gretel sollte nun der Hexe dienen, für sie arbeiten und vor allem ihr helfen, Hänsel mit Süßigkeiten zu mästen. Aber Hänsel hatte längst gemerkt, was die böse Alte vorhatte, daß er nämlich im Zauberbackofen gebraten werden soll. „Sei hübsch gescheit“, sagte er zu seiner Schwester, „und gib fein acht auf jedes, was die Hexe macht. Zum Schein tu alles, was sie will!“ In Wirklichkeit wollte sie aber auch aus Gretel einen feinen Braten machen, und sie heizte ihren Backofen und freute sich gewaltig. In ih rer wilden Freude ergriff sie den Besen. Voller Übermut setzte sie sich rittlings darauf und be- ihn schneller fett zu machen. Und sie brachte alles an, tat so, als sei sie fleißig. Aber sie hat te auch das Zauberstöckchen gefunden und machte damit hinter dem Rücken der häßlichen Knusperhexe ihren Bruder wieder beweglich: „Hokuspokus, Holderbusch, schwinde Glieder starre husch!“ Das hatte die Alte nicht bemerkt, j Gretel sollte nun in den Ofen schauen, ob er | schon heiß genug sei. Sie stellte sich dabei aber absichtlich gar zu dumm an und wollte nur, daß die Hexe ihr zeigt, wie man es macht. Da die Hexe wohl wirklich nicht sehr gescheit war, be merkte sie nicht Gretels Absicht. Sie beugte sich vor, schaute ins Ofenloch und kroch fast hinein, weil sie genüßlich fühlen wollte, wie heiß es sei. I Hänsel war inzwischen aus seinem Stall ent- I kommen und stand neben Gretel. Beide Kinder gaben der alten Hexe einen derben Stoß, so daß sie vollends in den heißen Ofen rutschte und gann einen teuflischen Besenritt mit tollen Sprüngen. „Bei dunkler Nacht, wenn niemand wacht, zum Hexenschmaus am Schornstein raus!“, sang sie voll böser Lust. Inzwischen aber soll te der „Braten“ Hänsel nun schon fett genug sein. Das wollte die Alte selbst sehen. Sie stellte ihr ungewöhnliches Pferd in die Ecke und ging zum Stall. „Kleines leckeres Schlingelchen, zeig mir dein Fingerchen“, rief sie. Hänsel aber, ein wirklich schlaues Bürschlein, hielt ein Stöckchen durchs Gitter. Die Hexe mit ihren alten Augen bemerkte dies nicht, sondern staunte nur, wie dünn seine Finger noch immer wären. Gretel soll te schnell Rosinen und Mandeln holen. Damit sollte ihre Bruder mächtig gefüttert werden, um 26 27