denn Wagners Musik nahm er tief in sich auf. Und so wurde er zu einem glühenden Verehrer des Bayreuther Meisters. Das merkt man vielen Werken deutlich an, sein „Hänsel und Gretel“ eingeschlossen. Aber sein Wagnerverständnis ging schließlich doch nicht so weit, daß er sich als ein blinder Nacheiferer verstand, der nur noch in Wagnerschen Dimensionen denken wollte wie manche anderen Komponisten, die schon bald völlig vergessen sein sollten. Humperdinck hat sich zeitlebens bei aller Verehrung seinem Mei ster gegenüber eine kritische Distanz bewahrt, und dadurch, nur dadurch ist es ihm gelungen, eigenständig zu werden. Aber bis er so weit war, verging doch eine gewisse Zeit, auch eine Zeit der Suche und der persönlichen Reife. Als er sich mit „Hänsel und Gretel“ zu beschäf tigen begann, durchlebte er - obwohl gerade glücklich verheiratet - momentan eine solche schwierige Zeit. Einerseits war er auf der Suche nach einer Kapellmeisterstelle, nachdem sich zu Beginn des Jahres 1890 eine Bewerbung um die Düsseldorfer Musikdirektor-Stelle zerschla gen hatte, andererseits wirkte sich der über mächtige Einfluß Wagners lähmend auf seine eigene Kreativität aus. Er verstand es richtig als ein Alarmzeichen und versuchte fortan, sich in nerlich zu befreien. Im Herbst 1890 fand er aber eine Anstellung am Hochschen Konser vatorium als Kompositionslehrer und übernahm gleichzeitig das Opemreferat der „Frankfurter Zeitung“. So hatte er urplötzlich viel zu tun, und seine Arbeit an der Märchenoper kam nur langsam voran. Aber als Komponist fühlte er sich von dieser Aufgabe doch stark gefordert, und er machte weiter, Schritt für Schritt, Takt für Takt. Am 17. September 1893 war das Werk endlich fertig. Humperdinck hatte aber schon vorher versucht, ein Opernhaus für die Auf führung zu finden. Bereits im Mai 1893 hatte Hermann Levi, Hofkapellmeister in München, erster Parsifal-Dirigent und seither mit Hum-