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Der Salome-Stoff hat immer wieder Künstler zu verschiedenartigsten Deutungen und großar tigen Schöpfungen inspiriert, so auch Richard Strauss zu sei nem ersten bedeuten den Bühnenwerk (1905): Salome, die schöne Stieftochter des Herodes, ist vom eingekerkerten Propheten Jochanaan fasziniert, der sie jedoch entschieden zurück weist. Nachdem sie aber wunschgemäß vor Herodes getanzt hat, verlangt sie als Preis den Kopf des „Täufers". Nur so kann sie sich den von ihr geliebten Mann zu eigen machen. Herodes läßt Salome töten. zipieren, das nur für etwa zwanzig Instrumen talisten bestimmt war. Ein um so schwierigeres und delikateres Problem, als es schwer, wenn nicht unmöglich war, unter diesen Bedin gungen mit dem vielfältigen und fülligen Klang des großen Strauss-Orchesters zu wetteifern. Und Florent Schmitt wußte genau, daß kaum sechs Monate nach den Pariser Aufführungen der Oper von Richard Strauss der Vergleich der beiden Salomes, der deutschen und der franzö sischen, geradezu zwangsläufig sein würde. Trotz der geringen Zahl der Mitwirkenden ist es Schmitt jedoch gelungen, diesem Orchester er staunliche Klänge zu entlocken. Darüber hinaus ist es gerade das große Verdienst der Schmitt- schen Salome, daß sie der von Richard Strauss weder szenisch noch musikalisch in irgendeiner Weise ähnelt. Der Verlauf der Tragödie der Salome konzen triert sich in der Konzeption von Robert d’Humieres nicht mehr nur auf eine einzige Tanzepisode. Sie drückt sich vielmehr in einer Serie von sechs verschiedenen Tänzen aus, die die verschiedenen Facetten der faszinierenden Persönlichkeit der Heldin wiedergeben, die nacheinander sorglos und kokett ist (,Danse des Perles‘/Tanz der Perlen), hochmütig und stolz (,Danse du Paon‘/Tanz des Pfaus), sinnlich und unglückbringend (,Danse des Serpents‘/Tanz der Schlangen), kalt und grausam (,Danse de l’Acier'/Tanz der Schwerter), lasziv und pervers (,Danse de l’Argent'/Tanz des Geldes), veräng stigt und toll (,Danse de la Peur‘/Tanz der Angst). Indem sie der Reihe nach Freude, Stolz, Wollust, Grausamkeit, Ausschweifung und am Ende Furcht und Grausen versinnbildlichen, wird die Klangfarbe dieser Tänze immer düste rer, und sie gewinnen nach und nach eine tra gische Dimension. Daraus ergibt sich sowohl choreographisch als auch musikalisch eine in teressante dramatische Entwicklung“ (Catherine Laurent).