Jeder Mann muß, wenn er die Mannes reife erreicht hat, sich klar werden, für welche Ziele er kämpfen will, damit er sein ganzes Wirken und alle seine Taten dementsprechend gestalte. Ich für meine Person“ - schrieb Bartök an seine Mutter - „werde mein Leben lang auf jedem Gebiet, zu jeder Zeit und auf jede Weise einem Ziel dienen: dem Wohle der ungarischen Nation und des ungarischen Vaterlandes.“ „Die Bauernmusik" - sagte Bartök - „erschließt für das musikalische Kunstwerk die verschiedensten Möglichkeiten, und ihre Zugrundelegung muß keineswegs zu identi schen Ergebnissen führen.... Wir haben - obwohl nach gemeinsa men Quellen - jeweils einen individuellen Stil entwickelt. Wenn man mich fragt, in welchen Werken sich der ungari sche Geist am vollkom mensten verkörpert, muß ich antworten: in den Werken von Kodäly. Seine Musik ist ein Glaubensbekenntnis an den ungarischen Geist." Vorbild und lange Zeit auch geistiger Vater. Johannes Brahms jedoch war sein Gott, dem er aber nicht all zu lange gefolgt ist Er wollte sei nen eigenen Weg gehen. Und als er nähere Bekanntschaft mit der urtümlichen ungarischen Volksmusik machte, hatte er zumindest einen heftigen Anstoß gefunden, den er ein ganzes Leben lang verspüren sollte. So fand Bartök im mer wieder seine Berufung darin, der Musik aus den abgelegenen Dörfern neues Leben zu schenken, wenn er sie aufschreiben konnte, um sie vor dem Vergessen zu bewahren. Eine na tionale Tat sollte er damit vollführen. 1904 zeichnete er zum erstenmal ein ungarisches Volkslied auf, das ihm vorgesungen wurde. Oftmals wanderte er zusammen mit dem bei nahe gleichaltrigen Zoltän Kodäly (1882 bis 1967) durch die Lande, wo sie sich Volks melodien vorsingen ließen. Sie waren sich rasch darin einig, eine kraftvolle Quelle gefunden zu haben, die der Kunstmusik neue Nahrung zu führen, ja neues Leben einhauchen könne. In der Zeit einer zunehmenden nationalen Besin nung, wie in einigen anderen europäischen Ländern auch, hatten sie das ungarische Bauernlied in seiner Bedeutung als eine wirk liche eigenständige Kunstform erkannt und darin den Ansatz für die Schaffung einer na tionalen Musik gefunden. So erhielt Bartöks Kunstverständnis eine völlig neue Richtung. Beide Komponisten unternahmen richtigge hende Entdeckungsreisen in eine überreiche, sich lebendig erhaltene Vergangenheit. Diese sollte schon bald zum eigentlichen stilistischen Ausgangspunkt für sie und ihre musikalischen Schöpfungen werden. Hatten sie auch ein glei ches Ziel, so gingen sie doch in ihrem eigenen künstlerischen Schaffen völlig andere Wege und kamen naturgemäß zu eigenständigen Ergebnissen. Wie aber mag man sich nun eine Komposi tionstechnik vorstellen, die ein solches Volksgut