DRESDNER O PHILHARMONIE Guardian ihr eine einsame Klause als Zu fluchtsstätte zu und beschwört eindringlich die Mönche, gar nicht erst zu versuchen, in ihr Geheimnis einzudringen. Hier verlassen wir die se Oper und verweisen auf die Möglichkeit, aus den verschiedenartigen Opernführern den rest lichen Handlungsverlauf zu ergründen. Ungefähr 20 Jahre früher komponierte Verdi Nabucco, die erste Oper, mit der ihm ein wirk licher Durchbruch gelang. Sie wurde am 9. März 1842 in Mailand uraufgeführt und erreicht in nerhalb der nächsten zwanzig Jahre allein an der Scala mehr als 120 Vorstellungen, dazu im Ausland - von Lissabon bis Paris, von London bis Buenos Aires und St. Petersburg - unzähli ge Aufführungen. Erstmals hat es Verdi hier vermocht, den Chor aus einer vormals meist statischen Rolle in eine lebendige Gestaltung einzubeziehen. In der italienischen Oper des 19. Jahrhunderts war dem Chor tatsächlich nie zuvor in der Handlung eine derartige Bedeu tung zugesprochen worden, meist war seine Funktion rein szenisch und dekorativ be schränkt gewesen. Auch hatte ein Chor nie zu vor so natürlich und ungekünstelt singen dür fen. Dies alles kulminiert natürlich in dem großen Massenauftritt der vom Babylonier könig Nebukadnezar gefangenen Hebräer, wie sie am Ufer des Euphrat, weit weg von ihrer Heimat am Jordan, Gott anflehen und wün schen, daß der Stern Davids sie wieder in ihre Heimat führen möge: Va pensiero sull’ali do- rate („Flieg, Gedanke, auf goldenen Schwin gen“). Dieser Chor avancierte binnen kurzem zu einem kämpferischen Volksgesang, schließlich zu einer heimlichen Nationalhymne italieni scher Patrioten. Denn es war die Zeit, da sich große Bevölkerungsteile Oberitaliens mächtig erhoben gegen die habsburgische Fremd herrschaft. Und dieser Gesang gab ihnen dabei Kraft und Mut, spornte an, machte den Nabucco Der „babylonische Löwe", Bühnenbild zu „Nabucco"; Teatro alla Scala, Mailand 1986