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als er jemals im heimischen Salzburg hätte erfahren können. In Italien brach seine Liebe zum Gesang und überhaupt Gesang haften hervor. Er sollte dies für die gesam te Zeit seines Lebens nicht vergessen, nicht nur in seinen zahlreichen Opern, son dern in seiner gesamten Musik. In London beeindruckte ihn der jüngste Bach-Sohn, Johann Christian (1735 - 1782), einer, der vorher lange in Italien gelebt hatte, mit sei nen „singenden Themen“ und dem Galan ten seines Stils. Aus Paris brachte der jun ge Mozart den dortigen Geschmack, den französischen „goüt“ mit, hörte aber in Mannheim, später in München einen Or chesterklang, wie er ihn vordem noch nicht erfahren hatte. Mozart war niemals einer, auch nicht als ganz junger Komponist, der unbedingt nach Vorbildern suchte, um sie dann imi tieren zu können, sondern er nutzte sie als Sprungbrett. Er flog gleich höher und wei ter, sobald er seinen Absprung hatte. Er gab sich einem kostbaren Einfluß ganz un befangen, ungekünstelt hin, konstruierte nicht lange herum, hatte im Ohr, wie es an dere machten und machte daraus eigenes, alles so, als wäre es ganz einfach, als wäre es nichts. Er strebte nicht bewußt nach Originalität, wollte auch gar nicht das Be sondere. Er hatte einfach nur keine Mühe, seinen künstlerischen Gedanken ein ganz persönliches Gepräge zu geben. Er war schon „Mozart“, ehe er es wirklich selbst bemerkte. Diese Gabe, alles, was ihn inter essierte, aufzunehmen, aufzufangen, sich von all dem inspirieren zu lassen und et was wirklich Neues zu gestalten, ist wohl besonders hervorhebenswert. Bei Mozart wurde - nach ersten Anfängen in zartem Knabenalter, versteht sich - eben alles Vater Leopold Mozart musiziert mit seinen beiden Kindern, Wolf gang und „Nannerl“; ein Bild, dessen Ur sprung auf ein Aqua rell von Louis Carrogis de Carmontelle (1763) zurückgeht. neu. Auch als er damit begann, Sinfonien zu schreiben. Neun Jahre alt war er bei sei ner unschuldigen ersten in Es-Dur KV 16. Es sollten über fünfzig werden. (Nicht alle sind erhalten, andere vermutlich nicht richtig zugeordnet. Die alte Mozartausgabe jedenfalls zählt „nur“ 41 Werke). Für ihn war es die selbstverständlichste Sa che der Welt, Musik zu spielen und aufzu schreiben. Ihm wäre niemals in den Sinn gekommen, daß sich andere damit mühen mußten. Als Kind flogen ihm die Herzen al ler Menschen zu, als junger Mann wurde er - nicht nur auf seinen Reisen - bewundert und gelobt, doch als Erwachsener bemerk te auch er, daß ein Publikum gewonnen werden mußte. Nur 35 Jahre lang währte dieses Leben. Aber tausend Musikwerke auf allen erdenklichen Gebieten hat er hin terlassen, der Meister der Töne, ein Quell unerschöpflicher Inspiration. Es hat kei nen Komponisten gegeben, der mit glei cher Vollendung allen Gebieten gerecht werden konnte, ob in Opern oder kirchli chen Werken, ob in Sinfonien oder Konzer ten, in Serenaden, Sonaten oder Kammer musik, Liedern oder Chören, in ihnen allen herrscht eine solche Fülle, ein solcher Überfluß an Eingebung, daß man vor ei nem wahren Wunder steht. Dazu kommt die höchste Grazie, eine vielgestaltige Aus druckskraft, eine nie übertroffene Eleganz der Form und eine Innigkeit der melodi schen und harmonischen Gestaltung. Und dieser Mann mit solchen Gaben, der die Welt gesehen und überall Erfolge hatte, saß in Salzburg fest, mußte tun, was ande re wollten und war - richtig betrachtet - nicht mehr als ein Diener seines Herrn, völlig abhängig und auch künstlerisch ein geengt. Seine Sehnsucht wuchs, der klein- 13 12