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Leipzig die Reihe ,Das außergewöhnliche Konzert* ins Leben und wird von Minister präsident Kurt Biedenkopf zum Gründungs mitglied der Sächsischen Akademie der Künste berufen“ (Ulrike Liedtke). So steht Günter Neubert heute auch als Komponist in der ersten Reihe namhafter Tonschöpfer unserer Zeit, immer bereit, sich auch mit seinen kompositorischen Mitteln den Themen unseres Lebens zu stellen. Ein umfangrei ches Werk liegt vor, etliche Kompositionen für Orchester und Vokalsinfonik, für Chor und Kammermusik, ein Ballett („Das ver schenkte Weinen“) und eine Oper („Perse phone“). Unter all seinen Werken aber wird immer wieder das musikalische Märchen Die Weihnachtsgans Auguste genannt und immer wieder in den deutschsprachigen Ländern aufgeführt, beinahe eine Erfolgs story. „Gustje“, die quirlig-schnatternde Gans, dieses unverwüstliche Federvieh, soll, so will es wenigstens der Opernsänger Luitpold Löwenhaupt, als Weihnachtsgans dienen, zum Festagsbraten werden mit Klößen, Rotkraut und Äpfeln, denn etwas müsse man doch fürs Herze tun. Die Kinder jedoch - das sind Elli, Gerda und Peterle - haben sie vom ersten Augenblick an in ihr Herz geschlossen und helfen, den Vater zu über listen. Nachdem der nun - leise und heimlich - versucht, Gustje den Garaus zu machen, ihr sogar ein Schlafmittel gibt und sie als scheinbar tote Gans auch noch gerupft wird, tapst sie im Haus, gräßlich anzusehen, umher und schimpft: „Ick frier, als ob ick keen Federn nich hätt, man trag mich gleich wieder in Peterles Bett!“ Vater Löwenhaupt gibt klein bei. Zur Freude aller sitzt Gustje dann, mit einem warmen selbstgestrickten Pullover bekleidet, als Hauptperson unter dem Weihnachtsbaum, und der Vater denkt: „Schließlich muß man doch etwas fürs Herze tun!“ Diese Geschichte von Friedrich Wolf hat Günter Neubert schon vor mehr als einem Vierteljahrhundert vertont, und trotzdem schnattert die Gans noch kein bißchen lei ser, ist weit über Mitteldeutschland hinaus bekannt geworden, auf Schallplatte er schienen und unzählige Male in mehreren deutschsprachigen Ländern aufgeführt worden. Die damals andächtig lauschten, gehen nun mit ihrem eigenen Nachwuchs ins Konzert. Sie wollen erleben, was ein Sänger - Luitpold Löwenhaupt mit der Stimme von Roland Schubert - und zwei Sprecherinnen (außer Annette Jahns als Erzählerin hören wir auch gelegentlich die Gans sprechen. Das macht Eva Howitz.) gemeinsam mit Kinderchor und Orchester aus dieser turbulenten musikalischen Ge schichte so machen werden, sich schließ lich freuen, wenn es am Schluß doch keinen Gänsebraten gibt. Der Komponist hat es verstanden, seiner Musik viele illustrative Elemente abzuge winnen. Mit viel Witz hat er aus den großen Opernpartien des „berühmten“ Sängers zitiert und eine reizvoll-aparte mu sikalische Version geschaffen, die sich bis zu einem fulminanten Brausen steigert und nicht nur Kinderherzen höher schlagen läßt, wenn musikalisches Gänseschnattern oder eine Weihnachtsabend-Stimmung in unverwechselbaren Tönen aufklingt. Und wenn man denkt, es fehlt an Kostüm, an bunten Kulissen und Beleuchtungszauber, so merkt man schnell, wie diese musikali sche Geschichte aus sich selbst wirkt, einen eigenen, unvergeßlichen Zauber verbreitet und Kinderaugen leuchten lassen kann. 16 17