Ferienort am Wörther See in Kärnten, war es damals ein kleiner, recht unbe deutender Ort. Aber dort schien schon damals die Sonne an einem Himmel von beinahe italienischer Bläue über einem idylli schen Berg- und Seepa norama. Dort waren die Menschen fröhlich, und dort hatte er sich einen Sommer lang ein Jahr zu vor äußerst wohl gefühlt, in bester Stimmung viel gearbeitet und den kom pletten ersten Satz seiner Zweiten Sinfonie abge schlossen. Das hatte ihm Brahms mit Joachim (r.) um 1855. Joseph Joachim galt schon zu seiner Zeit als einer der bedeutendsten Geiger und war mit Brahms seit 1853 eng befreundet. Er spielte das ihm gewidmete Violinkonzert zur Uraufführung und danach immer wieder auf seinen Konzertreisen. Aufführungsdauer: ca. 40 Minuten gut getan, und nun soll te daran angeknüpft werden - sofort. Die Luft war gut, der Kopf klar und die Seele leicht. „Der Wörther See ist ein jungfräulicher Boden, da fliegen die Melodien, daß man sich hüten muß, keine zu treten“, kann man in einem seiner Briefe nachlesen. Brahms atmete diese Melodien ein, notierte sie, fand selbst Gefallen an ihnen. Die glückliche Stimmung des Komponisten aus dem Vorjahr schien sich erhalten zu haben, ebenso der lyrisch-heitere Grundton, sogar eine gewisse Dreiklangsthematik und seltsamerweise auch die Tonart - D-Dur -, in der er dachte. Aber es sollte keine Sinfonie werden. Er wollte endlich ein neues Konzertwerk komponieren, ein längst geplantes Violinkonzert für den nur unwesentlich älteren und sehr berühmten Violinvirtuosen Joseph Joachim (1831 - 1907). Seit vielen Jahren war er ihm innig-freund schaftlich verbunden, und nun endlich glaubte Brahms, sich dieser enormen Aufgabe stellen zu können, denn das war wieder so eine Sache. Einerseits fehlte ihm noch die nötige Erfahrung,