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Richard Wagner Die Walküre ( 1. Aufzug) ist eine innige Naturschilderung, die mit instrumentalen Mitteln die Grundidee des "Parsifal" resümmiert: Das Leiden des Erlösers am Kreuze wird durch die Be glückung der von aller Sündenlast befrei ten Kreatur aufgehoben. Wir erinnern uns: Parsifal hatte im Verlaufe seiner Irrfahr ten in Klingsors Zaubergarten den heili gen Speer zurückgewonnen (auch hier wie der, wie bei Wotan, ein magischer Speer) mit dem der Zauberer dem Gralskönig Amfortas seine schreckliche Wunde ge schlagen hatte. Gurnemans hat die dahin siechende Gralsburg verlassen und haust als Einsiedler in einer Waldhütte. Nun kehrt Parsifal ins Gralsgebiet zurück, durch Mitleid wissend geworden und be reit, den Gral wieder zu enthüllen und die Ritterschaft zu neuer Kraft zu fuhren. Feierlich bewegt ist das Grundtempo, das beibehalten wird. Wenn die tragenden Themen erklungen sind, beginnen Wald und Wiese im hellen Vormittagslicht zu leuchten. Mit dem Blumenmotiv setzt der eigentliche Zauber ein, die Musik fließt weich und leuchtend zugleich. Vorher war gesungen worden: Parsifal: Wie dünkt mich doch die Aue heut so schön! Gumemanz: Das ist Karfreitagszauber, Herr! Erinnert sei hier noch an die paradoxe Tatsache, das der Antisemit Wagner mit der Uraufführung seines letzten, heiligsten Werkes 1882 ausgerechnet den aus Gie ßen stammenden Rabbinersohn Hermann Levi betraute. Die Walküre ( 1. Aufzug) Fast 25 Jahre - freilich mit Unterbre chungen - kreiste Wagner um seine gewal tige Tetralogie "Der Ring des Nibelungen", ehe er den Mythos Ton der Götter Schuld und Untergang mit all seinen Ursachen und Folgen dargestellt hatte. In genialer Kür ze erfasste Theodor Fontane die Grund idee: "Erster Fundamentalsatz: An der Gier, an dem rücksichtslosen Verlangen hängt die Sünde, das Leid, der Tod. Wer den Goldring des Nibelungen hat, der hat ihn immer nur zum Unheil und Verderben. - Zweiter Fundamentalsatz: Die Götter sind gebunden und regieren nur durch Ver trag. Auch dem Himmel kann gekündigt werden. Wächst der Mensch, so sinken die Götter, der eigentliche Weltenherrscher ist der freie Geist und die Liebe!" Von Alberichs Verfluchung des Ringes weiß keiner. Der Ring wird, wie wir wis sen, zusammen mit dem riesigen Gold schatz, vom Drachen Fafner bewacht. Wotan, dessen Macht nachlässt, ist sich bewusst, dass er selber den Ring nicht mehr gewinnen kann. Darum beschließt er die Erschaffung eines gewaltigen, furcht losen Helden, der das Werk vollfuhren soll. Mit einer Menschenfrau zeugte er die Zwillinge Siegmund und Sieglinde, das Wälsungenpaar. Im ersten Aufzug der "Walküre" erleben wir den entscheidenden Fortgang der Handlung. Der Ort ist Hundings Hütte, die um einen mächtigen Eichenstamm herum er baut ist. Draußen tobt ein heilloses Un wetter. Da stürzt Siegmund herein, durchnässt, verwundet, waffenlos und völ lig erschöpft. Kraftlos sinkt er nieder. Sieglinde, Hundings Frau, gibt dem Frem den Wasser und überredet ihn, nicht gleich wieder aufzubrechen. Der heimkehrende Hunding bemerkt sofort die Ähnlichkeit zwischen Siegmund und Sieglinde. Sieg mund, der sich Wehwalt nennt, berichtet, dass er sich auf der Flucht vor einer feind lichen Sippe befindet, die sein Haus zer stört und seine Familie erschlagen hatte. Die Schwester wurde verschleppt. Er sel ber tötete einige der Feinde, musste aber