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heißungsvollen Stille mich zu erfreuen. Hier von erfüllt, sagte ich mir plötzlich, daß heute ja Karfreitag sei, und entsann mich, wie be deutungsvoll diese Mahnung mir schon einmal in Wolframs .Parzival' aufgefallen war. Seit jenem Aufenthalte in Marienbad, wo ich die .Meistersinger' und .Lohengrin' konzipierte, hatte ich mich nie wieder mit jenem Gedichte beschäftigt; jetzt trat sein idealer Gehalt in überwältigender Form an mich heran, und von dem Karfreitagsgedanken aus konzipier te ich schnell ein ganzes Drama, welches ich, in drei Akte geteilt, sofort mit wenigen Zü gen flüchtig skizzierte.“ Aber es kam allerlei dazwischen, bevor Wag ner sich wieder ernsthaft diesem „Karfrei tagswunder“ zuwenden sollte, um ein Werk zu beginnen, das sein letztes, sein vielleicht erhabenstes werden sollte: Parsifal. Noch ar beitete er am „Ring“, war bis zum „Siegfried“ gekommen, ließ ihn, den Helden, aber bereits im Juni des Jahres unter einem Baume sitzen, nachdem der dem davonflatternden Waldvo gel nachgelaufen war. Wagner hatte sich im „Tristan“-Stoff eingesponnen, denn Liebe soll te sein Thema werden, nicht zuletzt wohl durch eine immer mehr entflammte Herzens beziehung zur Frau seines Gastgebers, Ma thilde Wesendonck. Und dann kam die lange Zeit der Kämpfe, eine neue Flucht, jetzt vor dieser Mathilde, die innere, später die offizielle Trennung von seiner eigenen Frau und schließlich der Be ginn einer neuen großen, unaufhaltsamen Liebe, der zu Cosima, wieder der Frau eines Freundes, der Hans von Bülows. Urplötzlich aber war der Parsifal wieder in seinen Ge danken. Auf Drängen seines königlichen Mäzens in Bayern, Ludwig 11., schrieb er 1865 einen neuen Prosaentwurf. Doch dann war wieder Pause. Die „Meistersinger“ entstanden, Mathilde Wesendonck (Gemälde von C. Domer, 1860) - Wagner bezeichnete sie als seine Muse und widmete ihr folgende Zeilen „an Sylvester 1857“: „Hoch beglückt, schmerzentrückt, frei und rein ewig Dein - was sie sich klagten und versagten, Tristan und Isolde, in keuscher Töne Golde, ihr Weinen und ihr Küssen leg’ ich zu Deinen Füssen, dass sie den Engel loben, der mich so hoch erhoben!“