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„Ein Dutzend Lieder also ... und, ach ja, dem Otto Hatwig hab ich zugesagt, für unsere Orchesterübungen im Schottenhof eine neue Sinfonie zu komponier'n. Ausdrücklich eine kleine soll es sein, diesmal, nachdem es mit der großen ,Tragischen', die ich im Frühjahr gemacht hab, so einige Mühe 'geben hat: Erst wusste der arme Hatwig nämlich nicht, wo er die nötigen Mitwirkenden auftun sollte, und als er sie dann endlich doch beisamm' hatte, wuß te er nicht, wo er sie alle plazieren sollte, in sei ner Wohnung - von etwaigen Zuhörern ganz zu schweigen! Daher also seine Bitte, es solle dies mal nur eine kleine Sinfonie im Mozart- oder Haydn-Stile werden, mit bloß einem Flauto und ohne Klarinetten, Trompeten und Pauken." Ein Auszug wie dieser aus dem Tagebuch von Franz Schubert (1797-1828) - notiert im Sep tember 1816 - genügt, um dem Außenstehen den tiefe Einblicke in die Künstlerpersönlichkeit zu gewähren. In den Jugendjahren profilierte sich Schubert vor allem in einer Richtung, die ihm später den Titel „Liederfürst" bescheren sollte. Der Gattung des Sololiedes gab er für ein ganzes Jahrhundert entscheidende Impulse. Auch waren es die produktivsten Jahre; hier schrieb er die meisten seiner über 600 Lieder - und konnte sie quasi dutzendweise verkaufen. Dem intimen Charakter des Liedes allein aber war es nicht zu schulden, dass Schubert als Komponist, mit wenigen Ausnahmen, die brei te Öffentlichkeit scheute. Es waren private Auf führungen durch Liebhaberensembles vor einem kleinen Hörerkreis, zu denen seine Musik erklang. Hier wurden zunächst auch die Sinfo nien aufgeführt - ein Bild, dessen Vorstellung durch die heutige Rezeption dieser Werke hin reichend erschwert wird. Jener Otto Hatwig, den Schubert in seinem Tagebuch erwähnt, war Orchestermitglied am Wiener Burgtheater und leitete 1816, als die 5. Sinfonie entstand, eines dieser Liebhaber- Orchester im bekannten Schottenhof zu Wien. Schubert nahm mit dieser Sinfonie stärker denn je auf die besonderen Bedingungen der Auf führung Rücksicht. Die musikalische Substanz litt unter der schlanken Besetzung jedoch kei neswegs. Die Flut gestalterischer Ideen beschert uns ein kurzweiliges Werk, das geprägt ist von Kontrasten zwischen lockerem, verspielten und energischem, zielstrebigem Ton. Die „Tragische" mit ihrer etwas bemühten Ernsthaftigkeit lag hinter ihm, und dass die „Fünfte" zu einem der einfallsreichsten und poetischsten Werke Schuberts wurde, lässt sich einerseits auf seine Begegnung mit der deut schen Literatur zurückführen, andererseits auf die mit Mozarts Schaffen, was sich nicht allein in der Orchestrierung niederschlägt. Einem wei teren Tagebucheintrag von 1816 spricht Schu bert, unter dem Einfluss eines der reifen Streich quintette Mozarts, von seelischen Prägungen, „welche keine Zeit, keine Umstände verwischen [...] Sie zeigen uns in der Finsternis dieses Lebens eine lichte, helle, schöne Ferne, worauf wir mit Zuversicht hoffen. 0 Mozart, unsterbli cher Mozart, wie viele o wie unendlich viele sol che wohltätige Abdrücke eines lichten und bes seren Lebens hast du in unsere Seelen geprägt".