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genen Leben zu entfliehen, im Moment ei ner kurzen aber völlig gescheiterten Ehe zu entkommen. Er reiste sieben Monate lang durch Europa, war in der Schweiz, besuchte die berühmtesten Orte Italiens, ging nach Paris und Wien. Fast täglich schrieb er an Frau von Meck, nicht allein aus Dankbarkeit, sondern, weil es ihm zum Bedürfnis wurde, sie in sein Leben blicken zu lassen, ihr seine Seele zu öffnen. Und er arbeitete wild ent schlossen, „erholte sich arbeitend“, wie er gestand. Großartige Werke entstanden seither, z. B. einige Opern, darunter „Eugen Onegin“, die vierte und fünfte Sinfonie, das Violinkon zert, Kammermusik, das „Domröschen“-Bal- lett u. a. m. Tschaikowski war im Ausland berühmt geworden, wurde mehrfach zu Konzerten eingeladen, dirigierte 1888/89 auf zwei großen Europatourneen eigene Werke - darunter am 20. Februar 1889 sei ne 4. Sinfonie als deutsche Erstaufführung im 5. Philharmonischen Konzert der Gewer behauskapelle in Dresden. 1891 wurde er in den USA gefeiert, war auch 1893 wieder im Ausland unterwegs und erhielt in Cambridge zusammen mit Saint-Saens, Boito, Grieg und Bruch die Ehrendoktorwürde. In seinem We sen jedoch blieb er melancholisch, sogar schwermütig. Um so erstaunlicher ist es, wieviel Kraft er in seine kompositorischen Arbeiten investierte. Und der Tod ereilte ihn mitten aus seinem Schaffen heraus. Lange Zeit hieß es, er sei ein Opfer der Cholera ge worden, doch verdichtete sich später immer mehr die Mutmaßung, es sei wohl doch Selbstmord gewesen, eine selbst zugefügte Arsenvergiftung. Tschaikowski erfühlte die Musik aus seiner Seele und wollte sie auch so ausgedrückt wissen. Für ihn war die Musik eine Sprache, 1878 setzte Nadeschda von Meck dem Kompo nisten eine Jahresrente aus. Als sie 1890 nicht mehr zahlen konnte, endete eine seltsame (Brief)-Freundschaft, waren sich beide doch niemals persönlich begegnet.