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aus dem gesangsfreudigen Italien aufgefan gen. Haydn war schließlich in die Zeit eines musikalischen Umbruchs hineingeboren und bemerkte allenthalben, wie sehr sich die alte „barocke“ Spiel- und Ausdrucksweise überlebt hatte, „zopfig“ geworden war. Neue Formen, neue melodische Gestalten und thematisch motivische Verarbeitungstechniken begannen aufzukeimen. Ein völlig neues Musikverständ nis schien in der Luft zu liegen, wehte von Italien her unaufhaltsam in die übrige Welt. Der junge Haydn fand rasch Gefallen an ei nem solchen freieren, volksliedhaften Ton, überhaupt an einer gemütvollen liedhaften Melodik. Musik dient der Unterhaltung und nicht allein dem Lobe Gottes, wie manche es seit alters her forderten. Warum sollte das in alten Regeln und Gesetzen eingesperrt blei ben? Enge Grenzen behindern einen freien Geist. So komponierte Haydn nach eigenem Wohlgefallen, letztendlich doch wohl ziem lich unbeeinflußt von außen. Er bemerkte selbst gar nicht so recht, daß er auf wirklich neuen Wegen wandelte und schon bald „ori ginal“ werden sollte. Das soll nicht heißen, Haydn habe alle traditionellen Bahnen eigen willig verlassen. Nein, er kannte sich gut aus in den bisherigen musikalischen Gattungen seiner nächsten Umgebung, begann lediglich, diese als Gefäße zu sehen und sie mit neuem Inhalt zu füllen. Erst nach und nach versuchte er, auch die Umhüllung zu verändern, weil die al te ihm offensichtlich nicht mehr behagte, nicht mehr zeitgemäß erschien. Er fand z. B. Ge fallen daran, die alte italienische Sinfonie, die ursprüngliche dreiteilige Opemouvertüre als selbständiges Orchesterwerk zu betrachten, sie aber in Einzelsätze zu teilen und später sogar einen Tanzsatz (Menuett) einzufügen. Der Kapellmeister Werner zog sich mehr und mehr zurück, so daß der gesamte Musikbe- geb. 31.3.1732 in Rohrau (Niederösterreich), gest. 31.5.1809 in Wien 1740 Chorsänger der Stephanskirche in Wien 1759 Kapellmeister bei Graf Morzin 1761 „Vice-Capel-Meister“ auf Schloß Esterhäz 1766 alleiniger Dirigent bei Fürst Esterhäzy 1790 Auflösung der fürstlichen Kapelle 1790-92 und 1794/95 zwei Londonreisen 1798 „Schöpfung“ 1801 Jahreszeiten“ Man bedenke, daß Haydn schon in der Zeit, als J. S. Bach noch lebte (gest. 1750) und seine letzten großen Werke schuf (u. a. „Die Kunst der Fuge“ und „Das Musicalische Opfer“), begann, sich in einer völlig andersgearteten Tonsprache auszu drücken.