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—— —— 7 Beilage zum Grzgeö. Dolkssreund WW-MWD-MW^W»W^ > I lM—MME—, »>! »IMEMMW». Nr. 202. Donnerstag, den 31. August 1911. Hi Ml« HM1 t muß heute jedermann auf eine gute Zeitung legen. Der „Erzgebirgische BolkSfreund" wird seit vielen Jahrzehnten allerorts in der Amtshauptmauuschaft Schwarzenberg und vielerorts in der Amtshaupt mannschaft Zwickau gelesen. Der Leser findet im „Erzgebirgischen Volksfreund": Eine zuverlässige Berichterstattung über die äußere und innere Politik des Reichs, über die innerpolttischeü Verhältnisse Sachsens und der übrigen Bundesstaaten sowie über die politischen Vorgänge im Auslands, Kritische Besprechungen politischer und sozialer Art, die neuesten Depeschen u. Telegramme, eine sorgfältige Verzeichnung der inter nationalen Vorkommnisse unpolitischer Art, amtliche Bekanntmachungen aller Art, einen infolge eines großen Mitarbeiter stabs in vielen Orten des Erzgebirges be kanntermaßen vorzüglich ausgestatteten ört lichen Teil, gute, spannende Romane u. Erzählungen, einen umfangreichen Inseratenteil. Der Inserent findet im „Erzgebirgischen Volksfreund" eine von vielen taufenden, allen Kreisen der Bevölkerung angebörenden Männern und Frauen in Stadt und Land gelesene, alteingesessene Tageszeitung. Bestellungen nehmen sämtliche Postan stallen und Postboten sowie nachstehende Geschäftsstellen und Agenturen entgegen: Schneeberg die Hauptexpedition, Ritterstraste 218. Tel. 10, Aue die Expedition, Reichsstraste SS, Tel. 81, Schwarzenberg „ „ obere Schloststr. 47, Tel. 19, Löstnitz „ /, / Schützenstraste INS, Tel. 440- sämtliche Austräger in vorgenannten Orten, sowie unsere Filialen in: Mbernau Alberoba Bernsbach Beterselb Bockau Beutba . Breitenbrunn * BermSarün u. Trandorf DitterSoors-Dreihansen Eibenstock Griesbach Grünhatn Hartenstein Hundshübel Johanngeorgenstadt Lauter Langenbach Lindenau Mittweida-Markersbach Neuwelt Niederschlema Oberschlema Oberpsannensttel Mia Raschau Raum Sachsrnfcld Sosa Weißbach Wtldbach Wildenfels Wildenau Zschorlau bei Herrn Gustav Espig, „ Herren Emil Reich und R. Lorenz, „ Frau Emma verw. Goldhahn, „ Herrn Klempner Hecker, „ „ Karl Rüdiger, „ „ Louis Günther, ,, „ Genieindeexpedient Anger, bei Frau Schwarzer, Schwarzenberg, „ Herrn Streckenarbeiter Lang, „ „ Mechaniker Preist, „ „ Ernst Martin und Frau Pauline Schubert „ „ Marie verw. Ficker, „ Herrn Maurer Schmalsust, „ „ Paul Geyer, „ „ Schuhmachermstr. Aug. Lorenz, „ „ Wachtmeister Hecker, „ „ Julius Hanke, „ Frau verw. Weist, „ Herrn Bahnarbeiter Beruh. Süst, „ „ Klempner Ernst Böttger, ,, „ Paul Scholz, , bei Herren Adolf Loos, Paul Grost und Lonis Hergert, „ Herrn OSwald Schönherr, „ „ Tischlermeister Wetstslog, „ Frau Schönfelder, „ „ verw. Schuster, „ „ Wendler, Schwarzenberg, „ Herrn Schutzmann Unger, „ „ Albin Müller, HauS-Nr. 168, „ Frau Wilhelmine Hoppe, „ „ Bertha Leichsenring, „ „ Lüfsler, Schwarzenberg, » „ Friederike Georg«. WM" probenummsru "HW Puden wir gern mehrere Tage hintereinander und bitten dies« von unser« Hauptgeschäftsstelle. Schneeberg, RMerftrasie zu »mang«. Wo liegt die Schuld? Roman von I. IM«Sver-walde. (Nachdruck verboten.) (18. Fortsetzung.) Tine ganz fatal« Sache, aber sie muhte durchgrmacht werden. Ein scheuer Blick traf den Schreibtisch, er ent« hielt alle Briefe Frau Haller- Da» mußte auch noch au» der Welt. Nichts wollte sie behalten, was an die furcht bar« Zeit erinnerte. Um sich zu zerstreuen, blickte sie um« her, sie prüfte, welch« Möbel sie mltnehmen wollte. Die Auswahl war groß, da drei Zimmer ganz mit lieben, alten Andenken gefüllt waren. Ernst hatte ihr geschrieben, daß die gesamte Einricht ung selbstverständlich zu ihrer Verfügung stände. Sie ge dachte aber nur ihr Zimmer in ihrem neuen Heim damit auszustatten, das andere sollte in SeeSende verbleibe«. Langsam schritt sie umher uud traf die Auswahl, dann legte sie, einem plötzlichen Einfall folgend, ihre Pflege rinnentracht an — sie wollte sich selber und ihren Bruder heute "vbend in die Illusion einwiegen, sie säßen sich gegen über, wie in alten Zeiten. Ein lächelnd wehmütiger Blick streifte den hohen Stell» spiegel, als sie sich auch den altgewohnten Hut aufsetzte. Schade, daß Swen sie nicht so sgh. Sie beschloß, diese ein- fachen, weißen Kleider später im Hause aufzutragen. Nun griff sie nach den kleinen Schlüsseln, öffnete die Tür und stand ungesehen im Freien. Der dicke Park bewahrte sie vor jedem spähenden Auge. ES packle sie plötzlich die Sehnsucht nach ihrer geliebten Bucht, und sie lief wie ein Kind den schmälsten Rlchtweg entlang, daß die grünen Zweige ihr den Kopf streiften. Ah! Nun stand sie droven auf der kleinen Anhöhe. Wie blau der See war und wie köstlich der frische Wind, der schon den kommenden Herbst verriet, sowie das sich schon ast unmerklich färbende Laub. Viel, viel schöner war's als sie es in der Erinnerung hatte. Ein köstlich friedliches Plätzchen, so recht um zu ruhen. Schade, daß ich eS Swen nicht zeigen kann! dachte sie im stillen. Der Anblick würde ihn entzücken. Durch deu Wald zog ein tiefes Brausen, als ob er die Heimkehrende grüße, sie lauschte dem vertrauten Klang und hob die Auge« rem Himmel entgegen, der sich rein und klar über der Landschaft wölbte. Die Sonne stand schon nahe dem Horizont. Ins Röhricht fielen die Stere in großen Schwärmen ein, sie trichen hin und wieder, immer tiefer uud tiefer, bis die unzählbaren Vögel mit einer letzten Schwingung ihrer Flügel, im Rohre untertauchend, ebenso rasch verschwanden, wie sie gekommen waren. Neue Schwärme zogen herbei, und daS Schauspiel, das -jerta so oft beobachtet hatte, wiederholte sich Ein leises Zwitschern, ein Hin- und Herhuschen war noch zu hören, >iS ein jeder Vogel seinen Halm zur Nachtruhe gefunden hatte, und alles wurde still. Der Wald und der See san- en ihr Lied weiter, als ob sie eine jede kleine Bogelbrust ait dem wild schlagenden Herzen stillen wollten mit dem Heimatsklang, so daß sie es in der Ferne, zu der sie zogen, nicht vergäßen, damit sie die Sehnsucht alljährlich wieder zurückführe an die Seen, zu den weiten Wäldern, und )em klaren, nordischen Himmel, zu den frischen Winden, auf denen eS sich so herrlich wiegen ließ. Gut, daß sie im Norden blieb, sogar in derselben Provinz. Die herbe Luft, der salzige Hauch, gehörten mit zu ihren Lebensbedingungen. Und vielleicht würde sich zwischen Ernst und Swen mit der Zeit wirkliche Freund- chaft entwickeln, die einen näheren Verkehr mit der ihr o lieben Heimat im Gefolge haben würde. In diese Gedanken verloren, ruhte sie auf ihrem Lieblingsplatz aus und genoß mit vollen Zügen den Frieden der abendlichen Stunden. Auch das leise Ge räusch näher kommender Schritte schreckte sie nicht aus ihrer Versunkenheit. Der Näherkommende erspähte aber nur zu gut die weiße Gestalt, er fuhr sichtlich zusammen, und eS schien so, als wolle er auf demselben Weg zurück ehren, dann aber warf er mit trotziger Gebärde den Kopf in den Nacken und schritt auf die Träumende zu. „Wie liebenswürdig der Zufall ist, der uns ein Wiedersehen an dieser Stelle beschert, Fräulein Lehrsen." Hjerta fuhr auf und blickte wie entgeistert in die dunklen Augen von Doktor Pohl. „Sie hier? Das war alles, was über ihre bebenden Lippen kam. „Sie scheinen nicht gerade angenehm überrascht, und so muß ich mein Kommen wohl kurz erklären. Ich bin nämlich verhindert, mein Amt zu dem festgesetzten Termin anzutreten, und da wollte ich Ihrem Herrn Bruder per sönlich davon Mitteilung machen. Ich dachte, Sie seien schon verheiratet." Das junge Mädchen hatte ihre Ruhe wiedergewon nen und erwiderte, dem Arzt mit einem liebenswür dige» Lächeln die Hand reichend, verbindlich: Ich hoffe, Sie bereuen eS nicht, mich hier getroffen zu haben. Ich denke, die Vergangenheit wob so manches Band, das uns bindet, daß die alte Freundschaft noch nicht er loschen ist." „Fräulein Hjerta, wie mich Ihre Worte beglücken. Ich glaubte, Sie hätten mich längst in den Kasten der alten Erinnerungen gelegt, mit denen man auszuräumen pflegt, wenn man einem neuen Leben entgegengeht." „Mein Bruder wird Ihnen bestätigen, mit welcher reilnghylk ich AM AMrygen gefolgt W Mich hoff«, Doktor, daß wir anch in der Zukunft Freun d* bleiben. Ich habe sogar eine« ganz besonderen Wunsch, de« ich Sie zu erfüllen bitte/ „Und der wäre?« „Mich In steter Fühlung mit Gerbend« za halte«. Sie wissen, bah mein Bruder kein steter Freund vom Brtefschrewen ist, würde« Sie diese Lücke ausfüllen wollen? Ich habe Ihre Brief« schätzen gelernt, Ernst lab sie mir größtenteils vor.« Sie beschämen mich mit Ihrem Lob, Fräulein Hjerta. Ich denke aber- daß Kiel nahe genug liegt, um ein fröh liches Hin und Her zu ermöglichen." „Dieser Plan scheitert a« der Abneigung meines Ver lobten, dergleichen Anstalt«« zu besuchen. Er hak ein« krankhafte Abneigung grgen Irrsinnige." „Und ist doch selber Arzt!" „Naturforscher, Doktor« Siv«« Torre ist nur noch Gelehrter und hat nicht» mehr vom BerufSmensche« an sich. „Worüber Si« wohl sehr glücklich sind?" „Nicht, baß tch wüßte, Doktor War ich doch selber eine halbe Aerztin, doch diese» Faktum gedenke ich vor meinem Verlobten geheim zu halten. Er glaubt, ich sel nur Hausfrau gewesen." „Warum wollen Sie da» Beste au» Ihrem früheren Leben verschweigen " Hjerta mußte lachen. „Wie inkonsequent die Männer oft sind- Doktor, wissen Sie Nicht mehr, wie Sie de» Beruf, dem ich jetzt entgegensetze, als den allein richtigen für mich erkannten?" An der dunklen Röte, die in de- Arzte» Gesicht stieg, wurde e» Hjerta erst bewußt, welche törichte Rede sie ge führt hatte. Wie konnte sie an das Peinliche rühre«, da» die erfolglose Werbung Pohls begleitet Katte. „Vergeben Sie mir, Doktor, daß ich gedankenlos an längst Vergangenes rührte." „Ich habe nichts zu vergebe«, Fräulein Hjerta, son dern nur zu danken, daß Sie so wie früher al» guter Kamerad mit mir verkehren. Das wäre ein schlechter Dank, der mit verletzter Eitelkeit Uttd Empfindlichkeit loh nen wollte. Denke« Sie so klein von mir? Nein, rech nen Sie mich zu Ihren besten Freunden, über den Sie unbeschränkt verfügen dürfen. Ich werde Ihr Sekretär werden und Sie in allem auf dem laufenden halten." „Herzlichen Dank, Doktor, und zUM Lohn dafür werden Sie in Düsternbrook in der Rosenvilla stet» will kommen sein. Wissen Sie, was mir Mein Verlobter schrieb : „Treue Freunde in erreichbarer Nähe zu wissen, gehört mit zu meinem Behagen " Zu denen werden Sie i« Zukunft auch gehören, Doktor. Und heute abend sind Sie auch mein Gast, mein Bruder erwartet Uns, er will um sieben Uhr bet mir speisen. Frau Goertz bereitet schon das festliche Mahl." Es war, als ob sich Hjetta nicht genug tun konnte in ihrer Liebenswürdigkeit Pohl gegenüber, und sie gestand sich selber ein, daß seine Anwesenheit das Zusammensein mit Ernst viel zwangloser gestalten würde. Die Aus sprache, der sie mit Bangen entgegensah, mußte für heut« unterbleiben und fiel vielleicht dadurch für immer fort. Sie war darin übrigens mit ihrem Bruder einig, denn auch er atmete sichtlich erleichtert auf, als er deS Doktors ansichtig wurde und das gute Einvernehmen der beiden bemerkte. Lehrsen liebte es gar nicht, Moralpredigten zu halten, und doch glaubte er nur seine Pflicht als brüderlicher Berater zu erfüllen, wenn er an diesem ersten Abend noch einmal kurz auf seinen Brief zurückkam. So saßen denn nach eingenommenem Abendessen die drei noch lange gemütlich zusammen und ließen sich da» fürsorgliche Walten von Frau Goertz wohlig gefallen. „Sie werden die Getreue sicherlich tu Ihren neuen Haushalt mit htnübernehmen?" fragte Pohl. „Nein, der Posten ist schon von feiten der Dienerschaft meines Verlobten besetzt." „Das bedauere ich wirklich, denn Frau Goertz ist un übertrefflich in ihren Leistungen." „Das finde ich auch und gedenke ihr daher in Zu kunft die Sorge für unsere Mahlzeiten anzuvertrauen", fiel Lehrsen ein. „Weiß sie denn schon davon, sie macht doch solch ver gnüglichen Eindruck?" erkundigte sich Pohl. „Nein, ich muß ihr dieses vorsichtig bsibringen." „O weh, die Aermste. Wenn sie sich nur uicht in ihrem Kummer ein Leid antut!" scherzte Pohl. „Sie liebt doch meinen Bruder auch, und von der Sette gedenke ich ihr die Sache auch vorzustellen." „In Frau Goertz' Augen war ich nur ein kleiner Tra bant der Hauptperson Hjerta, die sie in ihrem treuen Herzen trägt. Ich fürchte auch, daß die Arme untröstlich sein wird." „Da» ist nun einmal nicht zu ändern." Hjerta sprach letzteres in schroffem Ton und Pohl be mühte sich, die Unterhaltung auf ein andere» Thema zu lenken, wa» ihm nur zu gut gelang, aber auch diese- war ein übel gewähltes. „Haben Sle eigentlich de« Tod von Ingeborg Jens«« erfahren, Fräulein Lehrsen?" „Ja, wir hörten davon", erwiderte sie einsilbig. „Es ist ja alle- so gekommen, wie tch ,s erwartet hatte. Ein neuer Liebster, ein« neue Enttäuschung und erneuter Ausbruch des Irrsinns, aber diesmal tn verstärkter Form. Ein Glück war », daß sie auf diese Idee kam, da hat die arme Seele Ruh.« (Fortsetzung folgt.