See ist ein jungfräulicher Boden, da fliegen die Melodien, daß man sich hüten muß, kei ne zu treten.“ Brahms atmete diese Melodi en ein, notierte sie, fand selbst Gefallen an ihnen. Ein erster Satz konnte niedergeschrie ben werden. Weitere Sätze waren im Kopf fertig, wußte wenigstens Clara Schumann zu berichten, als Brahms erst am 17. September zu ihr nach Lichtenthal (bei Baden-Baden) eilte. Vor Arbeitseifer hatte er sogar ihren Geburtstag am 13. vergessen. Dort - er wohn te in einem Gasthaus - führte er sein großes Sommerwerk in der Nähe seiner Vertrauten zu Ende. Eine Zweite Sinfonie war fertig. Erst Ende Oktober kehrte er nach Wien zurück. Diese Sinfonie wurde Brahms’ „Pastorale“. Clara Schumann nannte sie „ganz elegischen Charakters“. Der Brahmsfreund Theodor Bill- roth glaubte zu erkennen, es herrsche „lau ter blauer Himmel, Sonnenschein und küh ler, grüner Schatten. Am Wörther See muß es doch schön sein.“ Vielleicht hören auch wir mehr die innere Heiterkeit heraus, denn sie ist ohne Zweifel die heiterste sinfonische Kom position des Meisters. Aber sie nur „heiter“ zu nennen, reicht denn wohl doch nicht, je denfalls nicht bei genauerem Hinhören. Es sind noch andere Töne darin, lyrische, schmerzlich-süße, sehnsuchtsvolle. Sie ist von grandiosen Kontrasten erfüllt, pendelt oftmals zwischen den Tongeschlechtem Dur und Moll, ist gelegentlich nicht erfaß- und deutbar. Brahms selbst, gewiß übertreibend, ließ seinen Verleger wissen, er habe „nie et was so Trauriges, Molliges geschrieben, die Partitur muß mit Trauerrand erscheinen“, nannte sie gar „das neue liebliche Ungeheu er“. War ihm das Werk vielleicht selbst nicht geheuer? Wir bemerken sehr bald, daß die vordergründige Heiterkeit auf unnennbare Weise gebrochen ist. Wo Licht ist, entsteht Aufführungsdauer: ca. 43 Minuten Die Sinfonie erlebte ihre begeistert aufgenommene Uraufführung am 30. Dezember 1877 in Wien unter Hans Rich ter. Der dritte Satz mußte wiederholt werden