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Zum Werk Der 1. Satz (4/4-Takt, G-Dur) beginnt mit einem schwung voll-festlichen Allegro, konzentriert und kraftvoll, mit weit- gespannten Melodiebögen und energischer Dynamik in stürmisch drängender Bewegung. Das Orchester hat Ent scheidendes beizutragen, begleitet nicht mehr nur, sondern steht dem Solisten als gleichberechtigter Partner gegenüber. Den Bläsern werden wichtige Aufgaben übertragen. Faszinierend ist die nahtlose Verbindung von thematischer Arbeit und virtuosem Passagenwerk, eine Einheit, aus musikantischem Geist geboren. Als inhaltlicher Mittelpunkt des Konzertes ist das klangsinn liche Adagio (4/-Takt, D-Dur) anzusehen. Hier sind die milder klingenden Flöten gegen die Oboen ausgetauscht und dem gedämpften Klang der Streicher angeglichen. Der Satz ist „die süße Träumerei, in der der Solist am Schluß nochmals die Augen aufschlägt und dem holden Traumbild seinen Scheidegruß nachruft“ (Hermann Abert). Das Finale (3/8-Takt, G-Dur), ein leichtfüßig-galantes Rondeau im französischen Stil, wartet mit einer Überraschung auf. Urplötzlich, nachdem sich Orchester und Solist längst im wechselnden Spiel ergötzt, sich die Gedanken zugeworfen haben und immer neue Figuren eingeflossen sind, fügt Mozart - nach französischem Brauch - ein Couplet in fremder Ton- und Taktart ein: ein Andante (Alla-breve-Takt, g-Moll) und ein Allegretto (G-Dur), sehr stark an die alpenländische Drehleier erinnernd. Der Satz schließt, wie er begonnen hat, mit dem Rondo im 3/8-Takt, am Ende im Piano zart verhauchend. beflügeln könnte. Er wollte so kom ponieren, daß es jedem Spieler ei ne Freude wäre, solche Stücke auf zuführen. Und er tat's alsbald, schrieb Violinsonaten und seine er sten Quartette. 1773/ 1774, be zeichnenderweise kurz nach seiner letzten Italienreise, komponierte er dann seine ersten größeren Kon zertkompositionen, ein Concertone für zwei Soloviolinen und Orche ster (KV 190) und - wie neuere Forschungen zeigen - das erste seiner fünf Violinkonzerte (B-Dur KV 207). Hier setzte er sich vor al lem mit dem in Italien geformten, noch ganz und gar barocken Kon zertmodell auseinander, dem aus geprägten Dialog zwischen Solo und Tutti und einem motivisch ab- wechlungsreichen Spiel zwischen den Partnern. Er versuchte, ältere und neuere Formen zu verbinden. Kurz vorher war ein Klavierkonzert (KV 1 75) entstanden und kurz da nach ein Fagottkonzert (KV 191), ein sicheres Zeichen dafür, daß Mozart damit begann, sich mit der Konzertgattung ernsthaft zu befas sen. Erstaunlich aber ist es, daß der frühreife Mozart sich nicht schon viel früher der Konzertform zugewandt hatte, denn als Geiger hätte er vermutlich auf seinen Rei sen trefflich seine kompositorischen und virtuosen Fähigkeiten demon strieren können. Das aber hatte wohl Gründe: Zum einen war das Konzert kompositionstechnisch, mit der schwierigen Balance zwischen Solo und Orchester, eine viel heik lere Gattung als die aus standardi sierten Formeln zusammengesetzte Orchestertonsprache der frühen Sinfonie; zum anderen befand sich die Gattung momentan in einer kri tischen Umbruchphase. Das alte barocke Reihungsprinzip, die Ritor- nellform mit einer geschlossenen Monothematik, und die neuen