brauchte nicht mehr dem Ge schmack eines einzigen Fürstenhofs zu folgen, den Haydn übrigens während der langen Zeit in Ester- häza mit rührender Geduld und in Beharrlichkeit weit entwickelt und verfeinert hatte. Er mußte nicht auch mehr bemüht sein, den Normen eines in der Tradition verharrenden adligen Publikums zu gefallen, son dern konnte - ganz er selbst - seinen ureigensten Intentionen folgen, frei sich entfalten. Diese einschneidende Erkenntnis machte ein Mann um die Sechzig! Und seine Schöpfungen dieser Zeit belegen es. Zwölf Sinfo nien (Hob. I: 93 - 104) waren das Ergebnis dieser fruchbaren Zeit. Sie wurden gleichsam zum krönen den Abschluß eines sinfonischen Lebenswerkes. Die hier erreichte Synthese von großer Mannigfaltig keit einerseits und äußerster Ge schlossenheit andererseits in höchst geistvoller Struktur hat auch Beet hoven letztendlich - schon Goethe bemerkte es - „vielleicht überbieten, aber nicht... übertreffen" können. Die Sinfonie Nr. 100 wurde 1794/ 1795 als achte (von zwölf) während des zweiten Londoner Aufenthalts komponiert und am 31. März 1794 erstmals aufgeführt. Auftraggeber war nicht mehr Salomon, der seine Konzertreihe hatte einstellen müssen, sondern der berühmte Geiger Gio vanni Battista Viotti (1755 - 1824) für seine Konzertunternehmung Ope ra Concerts im King's Theatre. Der Beiname „Militärsinfonie", der zwar schon bei der Uraufführung Verwendung fand, nicht aber vom Zum Werk Das nach einer Adagio-Introduktion von hohen Holzbläsern intonierte Allegro-Thema (Alla-breve-Takt, G-Dur) erinnert an militärische Pfeifermusik, dem alsbald ein gemütlicher Reitermarsch (die Melodie des Radetzky-Marschs liegt schon in der Luft!) folgt (2. Thema). Aus der ungewohnt hellen Farbigkeit gewinnt der Komponist höchst originelle koloristische Facetten. Ein schreitendes Romanzenthema (Allegretto, Alla-breve- Takt, C-Dur), zwischen Bläsern und Streichern pendelnd, verliert mehr und mehr von seiner, der französischen Melodie „La gentille et belle Lisette“ zugrundeliegenden Munterkeit. Der Klang wird zunehmend ernster und verhaltener, bis ein kleines Trompetenmotiv den Einbruch der Janitscharen-Musik verkündet. Ein zweites Trompeten signal verändert die Stimmung nochmals; Beethoven muß es gekannt haben, denn geradezu auffallend ist solcher Effekt in der 2. Leonoren-Ouvertüre. Der Romanzenton kehrt zurück, diesmal jedoch nur als ferne Erinnerung. Das liebenswürdige Menuett (3/4-Takt, G-Dur) mit einem auftaktigen Drehmotiv erscheint eher konventionell, doch ganz ohne die sonst gern etwas auftrumpfende Derbheit in solchen Sätzen. Es wirkt vielleicht sogar etwas melancholisch, jedenfalls im Gegensatz zum witzig und reizvoll punktiert-rhythmisierten Trio. Ein englisches Tanzlied („Lord Cathcart“) dient den eilig- dahinhuschenden Achteln im Finale (Presto, 6/8-Takt, G-Dur) als melodischer Kern. Wieder wartet der Komponist mit Überraschungen auf (Generalpausen) und läßt gegen Ende die Janitscharen-Musik (diesmal ohne Klarinetten) einen effektvollen Schlußpunkt setzen. Komponisten stammt, bestenfalls von ihm geduldet wurde, bezieht sich vermutlich auf einige Details in dem Werk, so z.B. auf die Verwendung von Marschrhythmen, die Benutzung eines sich recht frei entfaltenden