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Grundcharakter dieses Werkes ist mancherlei sinniert worden. Mozarts Zeitgenossen empfanden ein „geheimnisvolles Schauern", Robert Schumann sprach von der „griechisch schwebenden Grazie", und heute wird gern eine leiden schaftlich-gespannte Dramatik her vorgehoben und ein resignierender Unterton bemerkt. Gewiß: die schmerzlichen, chromatisch-abwärts- führenden Motive, besonders der Bläser, scheinen eine solche Deu tung zu rechtfertigen. Doch stehen dem mindestens ebenso viele auf wärts gerichtete und aufbegehrende Motivbildungen gegenüber. Melan cholie und Tragik, zugleich aber auch Leidenschaft und Auflehnung mischen sich hier zu einer ganz von innen her erzeugten Hoch spannung der Gefühle, die zwar die äußere Form nirgendwo sprengt, sie aber zu einer schwer lich beschreibbaren und aufregen den Balance der Kräfte werden läßt. Kompromißlos ist dies Werk. Sollte das mit Mozarts eigener Not situation zu tun haben, mit trüben, belastenden Gedanken? Nein und abermals nein, solche Deutungen haben in Mozarts „absoluter" Mu sik nichts zu suchen. Sein Komposi tionsplan hatte nichts mit äußeren Umständen zu tun. Er setzte Licht und Schatten aus künstlerischen, rein musikalischen Erwägungen und wollte niemals seinen Seelenzu stand porträtieren, kein außermusi kalisches „Programm" annehmen. So konnte er sogleich, kaum, daß die Tinte trocken war - in immer 4. Satz: Im Finale (Allegro assai, 4/4-Takt, g-Moll) scheint das Konflikthafte des 1. Satzes ins Schroffe, Unversöhnliche gesteigert. Mit herrischer Gebärde, herausfordernd und wild, motivisch aus dem Menuett-Thema hergeleitet, bricht der Hauptgedanke ein (Beethoven entlehnte ihn für den melodischen Kern des Scherzos in seiner Fünften). Nur als Episode erscheint ein etwas freundlicherer Seitengedanke, gleichsam zur Versöhnung einladend. Schärfste Auseinandersetzungen mit kontrapunktischen Verdichtungen und kühnen Modulationen in entferntere Tonarten kennzeichnen den weiteren Verlauf dieses Satzes. Auch nach Rückkehr in die Grundtonart bleiben die Konflikte bestehen, und die Sinfonie endet ohne den Lichtblick einer befreienden Lösung. Dennoch ist sie kein Werk der Verzweiflung oder schicksalhaften Ergebenheit, sondern weit mehr der Selbstbehauptung und moralischen Stärke. noch diesen, für ihn schweren Zeiten, sogar auf dem gleichen Papier - einen Hymnus an das Licht komponieren, seine jubelnde „Jupi- tersinfonie". Das g-Moll-Werk als Mitte der Trias bildet den Kontrast zu beiden Außenwerken, ist affektgeladen, voller Gefühl und bereitet - rein musikalisch betrachtet - den Weg zum sieghaften Taumel in der C-Dur- Sinfonie. Man müßte alle drei Werke in ein einziges Programm stellen, um sie - nacheinander gehört - so recht erleben und begreifen zu können.