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ZUR EINFÜHRUNG in Wien. Er hatte nicht das Glück wie der junge Mozart, die Welt zu sehen und sich dort zu bilden. Aber er hatte seine Stadt, in der es Musik im Überfluß gab und in die die Welt mancherlei hineinbrachte. Warum auch sollte er reisen, Unbe quemlichkeiten auf sich nehmen und sich lächerlichen oder schwie rigen Lebenslagen aussetzen? Er war daheim und hatte frohgemute und lebenstüchtige Freunde. Die waren ihm wichtig, denn sie stütz ten ihn, halfen, wo nötig, linderten sogar zeitweilige Not. Er machte mit ihnen unbeschwerte Landausflü ge. Sie veranstalteten „Schubertia den", bei denen er am Klavier saß und Eigenes zum besten gab. Leb haft ging es zu und fröhlich. Und einmal - doch nur ein einziges Mal - glückte es den Freunden, ein eigenes Konzert für ihn zu veran stalten. Beethoven, den Meister, wollte er sehen. Man verabredete eine Begegnung für den Sommer 1 827. Der Meister aber war im Frühjahr gestorben. Und Schubert hob nach der Beerdigung sein Glas „auf den nächsten". Er war es selbst mit kaum 32 Jahren. Aber was alles hinterließ er uns: ein unfaßbares, bis heute nicht rest los übersehbares Erbe. Hunderte von Liedern sind es, neun Sinfonien, zahlreiche weitere Orchesterwerke, prachtvolle Kammermusik, Opern, Kirchenmusikwerke-und alles in ei nem so ureigenen, unverkennbaren Stil, daß man nach nur wenigen Takten erkennen kann, wer allein der Schöpfer gewesen sein muß. Man darf aber fragen, ob die Wie ner überhaupt Schuberts Musik während dessen Lebenszeit wirk lich kennengelernt haben, ob sie überhaupt begriffen hatten, wer da in ihren Mauern noch lebte außer Beethoven, welches Genie unter ihnen weilte, in Stille und Beschei denheit schuf? Es ist nur bekannt, daß es ein einziges öffentliches Konzert mit Schubert-Werken (Kammermusik, Gesang) gegeben hatte von sehr lokaler Bedeutung. Und das auch nur dank seiner Freunde, ausgerechnet zum ersten Jahrestag von Beethovens Tod (26. März 1828), also kurz vor Schuberts eigenem Ableben. Ver mutlich konnte Schubert wenig stens einige frühere Sinfonien selbst einmal hören. Das aber nur in kleinem, sehr privatem Rahmen. Seine sinfonischen Werke sind während seines Lebens jedenfalls niemals öffentlich aufgeführt wor den. Ja, als Liederkomponist war Schu bert - nach schwierigen Anfängen - bekannt geworden, danach auch als ein Schöpfer von Kammermu sikwerken und schließlich „theatra lischen" Kompositionen, aber Sin fonien ...? Und doch hat sich Schubert zeit seines kurzen Lebens vielfach mit der sinfonischen Form beschäftigt, sich nicht entmutigen lassen, immer wieder auf dieses Genre zurück zugreifen. Als das „Streben nach dem Höchsten in der Kunst" nannte Schubert seine sinfonischen Arbei ten. Er sah sich durch die Werke