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Sprüche und Gedichte von Josef Freiherr von Eichendorff Text der ROMANTISCHEN KANTATE Teil 1 - Mensch und Natur Es geht wohl anders, als du meinst: Derweil du rot und fröhlich scheinst, ist Lenz und Sonnenschein verflogen, die liebe Gegend schwarz umzogen; und kaum hast du dich ausgeweint, lacht alles wieder, die Sonne scheint - es geht wohl anders, als man meint. Was willst du auf dieser Station so breit dich niederlassen? Wie bald nicht bläst der Postillon, du mußt doch alles lassen. Herz, in deinen sonnenhellen Tagen halt nicht karg zurück! Allwärts fröhliche Gesellen trifft der Frohe und sein Glück. Sinkt der Stern: alleine wandern magst du bis ans End' der Welt. Bau du nur auf keinen andern als auf Gott, der Treue hält. Der Sturm geht lärmend um das Haus, ich bin kein Narr und geh’ hinaus, aber bin ich eben draußen, will ich mich wacker mit ihm zausen. Die Lerche grüßt den ersten Strahl, daß er die Brust ihr zünde, wenn träge Nacht noch überall durchschleiert die tiefen Gründe. Und du willst, Menschenkind, der Zeit verzagend unterliegen? Was ist dein kleines Erdenleid? Du mußt es überfliegen! Wenn der Hahn kräht auf dem Dache, putzt der Mond die Lampe aus. Und die Stern’ ziehn von der Wache, Gott behüte Land und Haus! Ewig munt’res Spiel der Wogen! Viele hast du schon belogen, mancher kehrt nicht mehr zurück. Und doch weckt das Wellenschlägen immer wieder frisches Wagen, falsch und lustig wie das Glück. Der Wandrer, von der Heimat weit, wenn rings die Gründe schweigen, der Schiffer in Meeres Einsamkeit, wenn die Stern’ aus den Fluten steigen! Die beiden schauern und lesen in stiller Nacht, was sie nicht gedacht, da es noch fröhlicher Tag gewesen. Nachtgruß Weil jetzo alles stille ist und alle Menschen schlafen, mein’ Seel’ das ew'ge Licht begrüßt, ruht wie ein Schiff im Hafen. Der falsche Fleiß, die Eitelkeit, was keinen mag erlaben, darin der Tag das Herz zerstreut, liegt alles tief begraben! Ein andrer König wunderreich, mit königlichen Sinnen, zieht herrlich ein im stillen Reich, besteigt die ew’gen Zinnen. Teil II - Leben und Singen Wir wandern nun schon viel hundert Jahr’, und kommen doch nicht zur Stelle. Der Strom wohl rauscht an die tausend gar und kommt doch nicht zur Quelle. Was ich wollte, liegt zerschlagen, Herr, ich lasse ja das Klagen, und das Herz ist still. Nun aber gib auch Kraft zu tragen, was ich nicht will! Der jagt dahin, daß die Rosse schnaufen, der muß im Staub daneben laufen; aber die Nacht holt beide ein, setzt jenen im Traume neben die Rosse und den'andern in seine Karosse. - Wer fährt nun fröhlicher? Der da wacht oder der blinde Passagier bei Nacht? Gleich wie auf dunklem Grunde der Friedensbogen blüht, so, durch die böse Stunde versöhnend geht das Lied.