Schon seit langer Zeit haben Komponisten das Orchester-Crescendo als wirkungsvollen Effekt zu benutzen verstan den, denken wir nur an die berühmte „Orchesterwalze'' der Mannheimer, doch in einer derart unver wechselbaren Art hat es schließlich nur einer verwendet: Rossini. Und außerdem hat er es wirklich populär gemacht, so sehr, daß er bei seiner Ankunft in Paris mit „Monsieur Crescendo" angeredet worden sein soll. lodiker läßt er seine Orchesterinsrumente sin gen, die langsamen Einleitungen in verführeri scher Schönheit der elegischen Melodien und in unwiderstehlichem Witz und knapper Ein prägsamkeit seine Allegro-Themen, immer voller neuer Einfälle und brillant in Rhythmus und Instrumentation. Und dann baut er sein Crescendo auf, eine Stretta-Steigerung von unentrinnbarer Urgewalt. Vom geflüsterten Pianissimo bis zum krachenden Fortissimo ent wickelt es sich mit einer Uhrwerkhaften Präzi sion. Instrument für Instrument tritt dyna misch und farblich verstärkend hinzu, ein ostinates rhythmisches Element scheint zu pulsieren, gebunden an unablässige Motivwie derholungen. Kein Werk ist wie das andere, und schier unerschöpflich sind seine Einfälle. Aber kaum eine Ouvertüre fühlt sich der nach folgenden Oper thematisch verbunden, ja kann sogar - wie es sogar gelegentlich geschehen ist -, einer anderen Oper vorangestellt werden. Nur „Wilhelm Teil“, diese großartige Ausnah me in allen Belangen, bildet auch hierin eine Ausnahme. Das Crescendo aber, dieses Mar kenzeichen Rossinis, war auch innerhalb vieler Opern immerfort präsent, in zahlreichen Arien und Ensembles. Nun aber schauen wir auf die Semiramis-Ou- vertüre. Hier treffen wir nicht die sonst meist übliche langsame Einleitung an, sondern schon zu Beginn auf ein beherztes Treiben mit einem Crescendo von langen 42 Takten. Dann erst setzt mit dem Andantino-Thema der vier Hörner die erste Melodie ein. Wir erleben dy namische Kontraste und ein bezauberndes Wechselspiel von kammermusikalischer Durch sichtigkeit und prächtigen Tutti. Zielpunkt der gesamten Entwicklung aber ist der köstliche Allegro-Satz der dreiteiligen Ouvertüre mit sei ner atemberaubenden Stretta-Steigerung. Das ist eine Ouvertüre nach dem Maß des Meisters: Rossini wie wir ihn lieben.