Volltext Seite (XML)
PolMche Rundschau. Deutschland. Suchomlinow beim Kaiser. An den Empfang des russischen Kriegsministers Suchomlinow durch unsern Kaiser haben besonders Pariser Blätter hochbedeutsame politische Folgerungen knüpfen wollen und unter anderem behauptet, der Minister hätte den Auftrag gehabt, den Kaiser zu be stimmen, in Wien Einspruch gegen die fortgesetzten Rüstungen Österreichs zu erheben, die Rußland zu entsprechenden Gegen maßnahmen zwängen. Das ist natürlich der Helle Unsinn: wäre der russische Kriegsminister in irgendwelcher besonderen Mission zum Kaiser entsandt worden, so wäre er gerades Weges und nicht über Leipzig und Dresden zu dem Herrscher gekommen. — Einem Vertreter der „Tägl. Rundsch." gegen über sagte Herr Suchomlinow auch ausdrücklich, daß der Kaiser überaus liebenswürdig zu ihm gewesen sei, daß aber während der ganzen Dauer der Audienz, die im Beisein des Botschafters Swerbejem stattfand, auch mit keiner Silbe von Politik die Rede gewesen sei. Der Minister versicherte dagegen, daß Rußland friedliebend sei und an keinen Krieg denke. Andernfalls würde er, der Kriegsminister, nicht auch jetzt einen längeren Urlaub haben nehmen können, denn er begab sich auf einige Wochen nach Südfrankreich, wo seine Frau zur Kur weilt. Mit Entschiedenheit trat der Minister noch den übertriebenen Darstellungen über das Befinden des kleinen Thronfolgers Alexejew entgegen und , erklärte, daß der Zarewitsch sich durch Sturz eine Verletzung zugezogen hatte, deren Folgen erfreulicherweise schon be hoben seien. Der Thronfolger unternimmt wieder Spazier gänge und geht seiner gewohnten Beschäftigung nach. Fürst Lichnowski beim Kaiser und Kanzler. Die Botschafterreunion tritt am heutigen Donnerstag in London wieder zusammen, um nach Erledigung der albanesischen und adriatischen noch zu einigen anderen Balkanfragen Stellung zu nehmen. Auf der Rückreise von seinem schle sischen Gute Kuchelna nach der englischen Metropole wurde der Fürst von unserem Kaiser empfangen, nachdem er vor her eine längere Besprechung mit dem Reichskanzler gehabt hatte. Die Behauptung, es sei mit dem Fürsten über die Übernahme der durch den plötzlichen Tod des Herrn von Kiderlen verwaisten Leitung des Auswärtigen Amtes ver handelt worden, war natürlich von vornherein nicht ernst zu nehmen. Fürst Lichnowsky ist in London zur Zeit un abkömmlich; d's Staatssekretariat des Auswärtigen Amtes müßte unter den gegenwärtigen Umständen aber so schnell wie möglich wieder besetzt werden. Es gibt ja auch so viele näher liegende Dinge, über die der neue Londoner Bot schafter Rücksprache zu nehmen und Instruktionen einzuholen hatte. Vee Usichskagswahlsieg des deutschen Kandidaten o. Halem über den polnischen Gegenkandidaten v. Saß- Jaworski in dem westpreußischen Wahlkreise Schwetz am Schluffe des alten Jahres war eine freudige Genugtuung für jeden Deutschen. Der Wahlkreis befindet sich seit dem Jahre 1867 in regelmäßiger Abwechselung während einer Legislaturperiode, im Besitze eines polnischen,' während der anderen in dem eines deutschen Kandidaten. Diesmal war der deutsche Kandidat an der Reihe und war auch in der Haupiwahl des vorigen Jahres in der Person des freikvn- seroattoen Schmetzer Landrates v. Halem gewählt worden. Den Einspruch der Polen gegen diese Wahl hatte die Wahl- prüfungskommission jedoch für berechtigt gehalten und be- schlossen, im Plenum die Ungültigkeit zu beantragen. Herr o. Halem kam der Entscheidung des Plenums durch frei willige Mandatsniederlegung zuvor. Um so erfreulicher ist seine jetzige Wiederwahl, die ruhig verlief, während es im Januar v. I. zu mehrfachen heftigen Zusammenstößen zwischen Deutschen und Polen und nachfolgenden gericht lichen Verurteilungen gekommen war. Das Eindringen der Politik in das Heer macht der französischen Armeeoerwaltung viel zu schaffen. In eine» Gerichtsverhandlung in Marseille gab ein Oberst unum wunden zu, daß das Osfizierkorps seines Regiments von der Politik vergiftet sei, wie viele andere Truppenkörper: die Politik beeinträchtige die Disziplin in hohem Maße. Wohin eine solche Zersplitterung der Kräfte führt, hat erst jüngst ein Teil des türkischen Osfizierkorps in wenig rühm licher Weise bewiesen, i Ami srsim von Wünng. Roman von k. Willkomm. 12 „Beste Adelheid," fuhr Franziska Frommholdt fort, „es mag fein, daß wir die großen Gesellschaften etwas mei den, wsi! wir beide keinen Überfluß an sogenannten Glücks- gütern haben, diese Vergnügen aber werde ich gewiß nie vermissen. Die Freunde, die uns kennen, wenden sich auch dann nicht von uns, wenn unserer Häuslichkeit der Dust des Reichtums, den man sogar für das Aroma der Vor nehmheit hält, abgehen sollte. Zwei, drei Familien, die unsere Verhältnisse verstehen, genügen zur Befestigung ei nes Glückes, das in sich selbst seinen Schwerpunkt findet I Glaubst Du nicht, Adelheid?" „Ich weiß es nicht, Franziska, Du mußt es versuchen. Im übrigen huldige ich dem alten Worte, daß Jeder sei nes Glückes Schmied ist." Der Händedruck, mit dem sie schieden, war von Sei ten der Frau v. Königsheim merklich kühl. „Ich hoffe, Dich mit Deinem Auserwählten bei uns begrüßen zu können," fügte sie hinzu. „Da Hanno nicht gerne unvorbereitet Jemand empfängt, möchte ich Dich bitten, mir Tag und Stunde Eures Besuches uns vorher mitzuteilen, damit wir uns danach einrichten können. Um Hannos Willen, Franziska, Du verstehst mich doch, mir persönlich bist Du und Dein Bräutigam jederzeit willkom men." Franziska hatte sich von ihrem Platz erhoben. Sie fühlte, trotz des letzten Zusatzes eine gewisse Kälte aus den Worten der Jugendfreundin heraus, so schwer es ihr auch ankam, daran zu glauben. „Ich werde Deinem Wunsche willfahren, liebe Adel heid, denn ich begreife sehr wohl, daß ein Besuch zu un gelegener Zeit Deinem Gatten nicht angenehm sein kann," erwiderte sie. Dw schtvtzHeelsche MilikSrorganlsaNon ist dadurch weiter ausgebaut worden, daß künftig die Stellen der Korps» und Divisionskommandanten mit berufsmäßigen Offizieren besetzt werden sollen, die dafür eine angemessene Entschädigung erhalten. Die Sozialdemokraten sind Gegner dieser neuen Einrichtung, weil sie darin die Anfänge eines stehenden Heeres erblicken. Expräsideak Castro von venszuela, dem es wieder nach dem Prüsidentenstuhle in Caracas gelüstete, mußte es bei seiner Ankunft in Neuyork erleben, daß ihn das „freie" Amerika zurückwies. Man wollte ihn den „lästigen Ausländer" nicht allzu hart fühlen lassen und verweigerte ihm daher schonender Weise die Landung wegen Krankheit. Einen reichen Ordenssegen gab es anläßlich des Jahreswechsels in München. Eine der ersten Auszeichnungen, die Prinzregent Ludwig verlieh, war die Verleihung des Großkreuzes des Verdienstordens der bayerischen Krone an den Ministerpräsidenten Frhr. von Hertling. Der Kultus minister von Knilling, der Finanzminister von Breunig und der Verkehrsminister von Seidlein haben den Michaelsorden 1. Klaffe erhalten. Ferner wurden zahlreiche Diplomaten, Parlamentarier, Militärs, Bischöfe, Künstler usw. ausge- gezeichnet. Erbschaftssteuer oder Vermogenszuwachsskeuer? Zu den Meldungen konservativer Blätter, daß sich das preußische Staatsministerium entschlossen hat, auf die Erb schaftssteuer zu verzichten und dem Bundesrot eine Ver mögenszuwachssteuer vorzuschlagen, erfährt die „Tgl. Rdsch." von unterrichteter Stelle, daß ein Entschluß des preußischen Staatsministeriums zur Besitzsteuervorlage überhaupt noch nicht erfolgt ist. Es steht noch garnicht fest, ob das preu ßische Staatsministerium noch vor oder nach der Konferenz der^bundesstaatlichen Minister in Berlin am 4. d. M. zu der Frage Stellung nehmen wird. Es entspricht den Tat sachen, daß der Reichskanzler dem Gedanken einer Ver mögenszuwachssteuer sympathisch gegenübersteht. Es ist aber zu berücksichtigen, daß ein nicht geringer Teil der ver bündeten Negierungen die Meinung vertritt, daß durch eine Vermögenszuwachssteuer das steuerliche Hoheitsrechl der Einzelstaaten in bedenklicher Weise angetastet wird. — An der Sitzung am Sonnabend dieser Woche werden die bun desstaatlichen Minister unter dem Vorsitz des Reichskanzlers teilnehmen. Staatssekretär Kühn wird zu Beginn der Kon- ferenz einen längeren Vortrag halten, in dem er die Denk schrift des Reichsschatzamtes an der Hand eines umfang reichen Materiuls erläutern und ergänzen wird. Der Beginn von 1913. Im größten Teil der Welt Hot man vergnügt Neujahr gefeiert; dagegen fand keine Veranstaltung im Sl. James- paloste in London statt, wo die Friedenskonferenz just am Neujahrstags wieder eine Sitzung abhielt. Das erklärt sich allerdings sehr einfach daraus, daß die christlichen Bal kanstoaten wie Rußland erst zwei Wochen später den Jahres anfang begehen, während die Türken ihre eigene Zeitrechnung haben. Für diese Herren hatte also das Neujahr der übrige« Nationen keine Bedeutung weiter. Im alten Kaiserschloff a» der Spree ist der Jahres anfang seit Kaiser Wilhelm 1. unverändert begangen wor den, nur daß der äußere Glanz vermehrt worben ist. Nach dem Gottesdienste in der Schloßkapelle in Gegenwart der kaiserlichen Familie und der geladenen Gäste fand im Weißen Saale, diesem Prachtraum allerersten Ranges, dessen Aus schmückung unter dem regierenden Kaiser wesentlich erhöht worden ist, die Galacour statt, die, wie üblich, der Reichs kanzler von Bethmann Hollweg eröffnete, dem wie verschie denen anderen Herren huldvolle Worte und ein Händedruck zuteil wurden. Ein besonderer Empfang schloß sich an die Cour an für die Generalität, die Botschafter, das Staats- Ministerium. Dumpf dröhnten in die Zeremonie die 101 Salutschüsse hinein, dis nahe beim Schlösse im Lustgarten abgegeben wurden. Die allerhöchsten Herrschaften begaben sich sodann unter lebhaften Begrüßungen des Publikums zur Ruhmeshalle, wo in Verbindung mit der Paroleaus gabe, die wie stets „Berlin-Königsberg" lautete, dis Weihe und Nagelung von achtzehn Fahnen der am ersten Oktober neu errichteten Truppenteile stattfand. Bei der Familien tafel der Mitglieder des kaiserlichen Gaules überreichten die Zwischen Franziska Frommholdt und Adelheid v. Kö nigsheim, den beiden einstigen Jugendfreundinnen und Gespielinnen war in dieser Stunde die Scheidewand noch höher gestiegen, die zu entfernen das Leben nur ein einzi- Mittel besaß. Franziska fühlte, daß Adelheid ihr wahr scheinlich für immer entfremdet sei, aber sie fühlte sich doch innnerlich frei und beruhigt, denn sie hatte sich keinen Vorwurf zu machen und nichts zu bereuen. Der Hoch mut und falsche Dünkel, welcher die Jugendfreundin ver anlaßte, diese Art Scheidewand zwischen ihnen aufzurich ten, fand in ihrem weicherem Herzen keinen Wiederhall. 7. Kapitel. Ein halbes Jahr später vermählte sich der Professor Woltershausen mit der ältesten Tochter des Landgerichts direktors Frommholdt. Einige Wochen vorher hatte Adelheid v. Königsheim ihren Gatten mit einem Zwillingspaar beglückt, zwei lieb liche Mädchen, die kräftig und gut entwickelt waren und mit großen klaren Augen in die Welt blickten. Von diesem letzten Ereignis erhielt die Frau Profes sor erst einige Tage nach ihrer Vermählung Kunde, denn feid dem letzten Besuch mit ihrem Bräutigam im Palais des Kammerherrn war eine gänzliche Entfremdung zwi schen den früher so eng befreundeten Damen eingetreten. Der Empfang war damals sehr konventionell gewesen und als Franziska ihren Verlobten ihre Unterhaltung mit Frau v. Königsheim nach ihrer Verlobung mitteilte, hatte dieser darüber nur ein Lächeln. - „Wir müssen ihr ihre Ansicht lassen," sagte er, seine Gattin beruhigend. „Wenn Du eine Freundin durch mich verloren hast, so bedauere ich das von Herzen. Man ver liert aber nur immer zum eigenem Nachteil, was der Ei gensinn aufgiebt: Anderen sich aufdrüngen ist unwürdig und verrät wenig inneren Gehalt. Wir werden uns, wenn die Königheims alauven, daß wir nicht mehr in ySllMk aus osm Ture Sel Haue an Ser Saale in Mkömm- licher Weise ihre Neujahrsgaben von Wurst und Eiern und einem Glückwunsch. Den Silvesterabend hatte die kaiserliche Familie im Neuen Palais in Potsdam in froher Weise mit einander verbracht. Zwischen dem Kaiser und den anderen Dreibund- fürsten, sowie zwischen den leitenden Staatsmännern sind, wie alljährlich, herzliche Neujahrsgrüße ausgetauscht werden. Über einzelne Äußerungen beim Nevjahrsempfange sind allerlei Mutmaßungen in Umlauf gesetzt worden, die man, da unberufene Augenzeugen ferngshalten wurden, aus sich beruhen lassen kann. Jedenfalls Hal der Jahresbeginn unter keinem schlimmen politischen Stern gestanden, und auch die Schwierigkeiten in London brauch, man wohl nicht allzu tragisch zu nehmen. Die Silvesterfeler in der Reichshaupiftodt hat der unmittelbar zuvor erschienene, zur Ruhe mahnende Erlaß des Polizeipräsidenten nicht abschwachen können, während ja wohl ganz grober Unfug erfreulicherweise ausgeblieben ist. Gerade aus Berlin sind die lautesten Klagen über die teuren Fleischpreise gekommen, aber an dem „Silvester rummel" hat man nichts von Not gemerkt. Die Eintritts preise in die nächtlichen Vergnügungs-Etablissements waren nicht allein gepfeffert, man nahm auch solche in Lokalen, wo sonst stets freier Zutritt herrschte. Und überall Über füllung, mochte das Publikum nun in Gesellschafts-Toilette oder sonstwie erscheinen. Die Ausgelassenheit war vielfach ein bißchen stark, aber da jeder wußte, was er zu erwarten hatte, war sie doch dem Berliner Geschmack entsprechend. Einem biederen „Außerhalbschön" mag freilich dabei Hören und Sehen vergangen sein. Bei dem feuchten Schnupfen wetter dauerte der Sturm des Prosit-Nsujahr-Rufens in den Straßen nicht allzu lange. Nicht wenige Silvesterschwärmer feierten gleich bis zum Neujahrsmorgen durch und wohnten dem um acht Uhr früh statlfindendcn großen militärischen Wecken unter den Linden bei. Für die Auffahrt zum Schlosse zur höfischen Feier hatte sich wie immer ein zahlreiches Publikum eingefunden, das allerdings durch die angelau fenen Scheiben der schnell vorübersausenden Automobile wenig erkennen konnte. Die Vertreter von Groß-Berlin sollen von der Gratulationscour im Schlosse recht befriedigt gewesen sein. Der hochbeiagte Kaiser Franz Joses sah von einem besonderen Neujahrsempfange ab, dagegen beantwortete der ungarische Premierminister die Wünsche seiner politschen Freunde aus dem ungarischen Reichstage mit einer hoff nungsvollen Zukunftsreöe. Er erwartete einen friedlichen Ausgleich aller Balkanschwierigkeiten. König Viktor Ema nuel von Italien gedachte des für den Staat so bedeut samen Friedensschlusses mit der Türkei und äußerte sich gleichfalls in hoffnungsreichen und friedlichen Ausdrücken für das neue Jahr. Am wehmütigsten war wohl dem alten Präsidenten der seanzösisckien Republik, Herrn Armand FaMeres, zu Mute, der in wenigen Wochen den Elysee-Palast nach Ablauf seiner Amtszeit von sieben Jahren verlassen wird, um sich wie fein Vorgänger Emst Loubet ins Privatleben zurückzuziehen. Der betagte Herr verband seinen Dank für das ihm gewidmete Vertrauen mit den besten Wünschen für den Frieden, der allen Nationen in Europa Heil und Segen bringen möge. Die übrigen Veranstaltungen für den ersten Januar erbrachten sonst keine bemerkenswerteren Zwischenfälle. In manchem Jahre ist es schon vorgekommen, daß in Zeiten, für die allerlei Unheil vorausgefagt wurde, aber gläubische Leute einer schweren Sorge um ihren Besitz unterlagen. Bei dem Mißtrauen, das gegen 1913 nun tat sächlich einmal besteht, sei noch einmal darauf hingewiesen, daß nichts vorliegt, was dieses Mißtrauen rechtfertigen könnte. Wir Haden, wenn der Winter kein Ausfrieren des Getreides bringt, für 1913 bei einem sonstigen normalen Verlauf des neuen Jahres mit einer recht guten Ernte zu rechnen, die zugleich einen tüchtigen Rückgang der Fleisch preise im Gefolge haben muß. Und aus solchen Verhält nissen heraus blüht dann auch Handel und Wandel stärker wie sonst! — Die Londoner Friedenskonferenz „wurstelt fort", um den charakteristischen Wiener Ausdruck zu gebrauchen. Am Neujahrstaae hielt sie ihre achte Sitzung - der allererste Gesellschaft verkehren können, denen anschlie ßen, die sich von uns angezogen fühlen, findet sich für uns keine zusagende Gesellschaft, so bleiben wir allein. Zwei Herzen voll Liebe, die einander verstehen, bergen unerschöpf liche Reichtümer, die eine ganze Welt voll Schein und Oberflächlichkeit nicht zu ersetzen vermag." Diese Zuversicht und Genügsamkeit des Gatten beruh igte Franziska vollkommen. Da sie ausschließlich in den Gedanken ihres Gatten lebte, den ihr ein natürlicher Zug gleichen Bildungstriebes und gleicher Leoensanschauung zugeführt hatte, vermißte sie weder den Glanz noch das Geräusch der vielen Gesellschaften in denen sie aus reinei Gewohnheit als junges Mädchen sich bewegte, ohne ei gentlich davon angezogen, noch weniger befriedigt zu wer den. Jenes harmlose Herumflattern in den elegantesten Sa lons hatte Franziska zuweilen zerstreut und amüsiert,' nicht selten aber auch gelangweilt. Oft empfand sie am Tage nach einer recht modern durchlebten Nacht eine grauenhafte Leere, die nur stilles Eingehen in sich selbst und ernste Arbeit wieder verschwin den machte. Dies wurde anders, als sie sich mit dem Professor verlobt hatte, allerdings nicht mit einem Schlag, sondern ganz unmerklich. Die vornehme Welt liebte es nicht, unnötigerweise Eklat zu machen, sie beachtet meist den guten Ton bis zur Entsagung oder gewaltsamen Zu sammenbruch irgend einer glänzend erscheinenden und mühsam aufrecht erhaltenen Existenz. Im allgemeinen dachte die vornehme Gesellschaft in der Residenz über die Verheiratung der beiden Unbe mittelten ebenso, wie Frau o. Königsheim. Es war keine Partie, für welche sich die allererste Gesellschaft mehr in teressieren konnte, denn es ließ vorausfehen, daß Walters- Hausen nur mühsam seinem Stande leben konnte, was eben die Welt im allgemeinen unter Standesgemäß ver steht und welche Anforderung sie in dieser Hinsicht stellt.