Franz Schubert: Messe Nr. 6 Es-Dur Der Text von Schuberts Es-Dur-Mess ist wie der von Puccinis „Messa di Glo ria“ die lateinische „Ordinarium missae“ (Grundgesänge der Messfeier). Beide Textfassungen sind also im Grunde identisch, wobei Schubert einige Kürzungen vorgenommen hat. Franz Schubert (1797-1828) komponierte die letzte seiner sechs Messen im Sommer 1828 für den Kirchenmusikverein der Dreifaltigkeitskirche im Alsergrund in Wien. Dort wurde sie nach Schuberts Tod im Oktober 1829 unter der Leitung seines Bruders Ferdinand zum ersten Mal aufgeführt. Die Messe war dann - wie auch die Große C-Dur-Sinfonie oder das C-Dur- Streichquintett - jahrzehntelang vergessen, erst 1865 wurde sie veröffent licht. Für uns gehört sie neben der Fantasie f-moll für Klavier zu vier Hän den, dem Streichquintett C-Dur, den Rellstab- und Heine-Liedern (sog. Schwanengesang), den Klaviersonaten A-Dur und B-Dur zu der Reihe erstaunlicher Werke, die in seinem Todesjahr entstanden sind. Schuberts Es-Dur-Messe ist in der Art „reiner Musik“ angelegt, ihre sechs Teile stehen wie die Sätze einer Sinfonie zueinander: Das Kyrie ist ein Andan te als langsame Einleitung mit dem bewegten Christ? eleison im Mittelteil. Es folgt das Gloria, ein Allegro mit der anrührenden Danksagung (gratias agimus) und dem Mittelteil Domine Deo, der in seiner ernsten Eindringlich keit auf den letzten Teil, das Agnus Dei, verweist. Den Abschluss des Satzes bildet die große, formal ungewöhnliche Fuge Cum spiritu sancto mit der bis ins letzte gesteigerten Engführung des Themas. Im Credo, einem Moderato, treten zum ersten Mal die Solisten auf, im Kanon singen sie das lyrisch-schö ne Et incarnatus est im Wechsel mit dem empörten Crucifixus sub Pontio Pilato des Chores - eine Art Passionsgeschichte im Kleinen. Im Gegensatz dazu werden andere Artikel im Glaubensbekenntnis auffallend gedrängt und stellenweise gekürzt vorgetragen: wieder schließt der Satz mit einer Fuge. Das mächtig anschwellende drängende Sanctus, ein Adagio, bildet den Höhe punkt des Werkes. Im ruhigen Benedictus, einem Andante, treten zum Chor wieder die Solisten. Dieser Satz scheint wie ein langes Atemholen vor dem Finale Agnus Dei, einem dramatischen Andante con moto, das von dem Viertonmotiv c-h-es-d beherrscht wird. Dieses Motiv wurde traditionell als Zeichen des Kreuzes interpretiert. Schubert zitiert hier das Thema der cis-moll-Fuge aus dem „Wohltemperierten Klavier“ (Erster Teil) von Johann Sebastian Bach. In der Messe tritt die Anrufung Agnus Dei, „Lamm Gottes, das du trägst die Sünde der Welt“ noch ein viertes Mal ein, mitten im dona nobis pacem - was völlig