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Fünf Goethe-Lieder von Franz Schubert - orchestriert Texte der Vokalwerke von Max Reger Erlkönig Johann Wolfgang von Goethe Wer reitet so spät durch Nacht und Wind? Es ist der Vater mit seinem Kind; Er hat den Knaben wohl in dem Arm, Er faßt ihn sicher, er hält ihn warm. Mein Sohn, was birgst du so bang dein Gesicht? - Siehst, Vater, du den Erlkönig nicht? Den Erlenkönig mit Kron' und Schweif? - Mein Sohn, es ist ein Nebelstreif. - „Du liebes Kind, komm' geh mit mir! Gar schöne Spiele spiel' ich mit dir; Manch' bunte Blumen sind an dem Strand, Meine Mutter hat manch’ gülden Gewand." Mein Vater, mein Vater, und hörest du nicht, Was Erlenkönig mir leise verspricht? - Sei ruhig, bleibe ruhig, mein Kind; In dürren Blättern säuselt der Wind. - „Willst, feiner Knabe, du mit mir gehen? Meine Töchter sollen dich warten schön; Meine Töchter führen den nächtlichen Reihn Und wiegen und tanzen und singen dich ein." - Mein Vater, mein Vater, und siehst du nicht dort Erlkönigs Töchter am düstern Ort? - Mein Sohn, mein Sohn, ich seh' es genau Es scheinen die alten Weiden so grau. - „Ich liebe dich, mich reizt deine schöne Gestalt; Und bist du nicht willig, so brauch' ich Gewalt.“ - Mein Vater, mein Vater, jetzt faßt er mich an! Erlkönig hat mir ein Leids getan! - Dem Vater grauset's, er reitet geschwind, Er hält in [den] Armen das ächzende Kind, Erreicht den Hof mit Müh’ und Not; In seinen Armen das Kind war tot. Gesänge des Harfners Johann Wolfgang von Goethe aus: „Wilhelm Meisters Lehrjahre" 1. Wer sich der Einsamkeit ergibt Wer sich der Einsamkeit ergibt, Ach! der ist bald allein; Ein jeder lebt, ein jeder liebt, Und läßt ihn seiner Pein. Ja! laß mich meiner Qual! Und kann ich nur einmal Recht einsam sein, Dann bin ich nicht allein. I Es schleicht ein Liebender lauschend sacht, Ob seine Freundin allein? So überschleicht bei Tag und Nacht Mich Einsamen die Pein, Mich Einsamen die Qual. i Ach wird' ich erst einmal | Einsam im Grabe sein, Da läßt sie mich allein! 2. Wer nie sein Brot mit Tränen aß . Wer nie sein Brot mit Tränen aß, I Wer nie die kummervollen Nächte | Auf seinem Bette weinend saß, Der kennt euch nicht, ihr himmli schen Mächte! I Ihr führt ins Leben uns hinein, | Ihr laßt den Armen schuldig wer- ■ den, Dann überlaßt ihr ihn der Pein; Denn alle Schuld rächt sich auf Erden. | 3. An die Türen will ich schleichen ! An die Türen will ich schleichen, Still und sittsam will ich stehn, Fromme Hand wird Nahrung rei chen, Und ich werde weiter gehn. ' Jeder wird sich glücklich scheinen, | Wenn mein Bild vor ihm erscheint, Eine Träne wird er weinen, Und ich weiß nicht, was er weint.