Hans Pfitzner DRESDNER U PHILHARMONIE E s war immer ein Abgrund zwischen ihm und der Welt: Der streitbare Komponist Hans Pfitzner erfocht seine Erfolge, erklomm Positionen und führte ewig Diskussionen - ei nem Don Quichotte gleich - über längst ver gangene Ideale. Und er verteidigte Grundsätze, die lange schon zusammengebrochen waren. Aber er war auch eine janusköpfige Erschei nung. Das zeigt sich zum einen darin, daß er sich in der Tradition Schumanns und Wagners sah, „zum anderen drang er in seinen avan- ciertesten Werken der 20er Jahre mit ihrer oft rücksichtslosen Linearität an die Grenzen der Tonalität vor“ (Alfred Beaujean). Und so mutet es recht merkwürdig an, daß einer, der am alten zu hängen scheint, sogar als „letzter Roman tiker“ apostrophiert wurde, eine Musik kompo nierte, die neuartig wirkte. Denn sie schien sei ne Hörer zu irritieren, ja sogar zu erschrecken, aber nicht, indem sie offensichtlich mit neuen Mitteln spricht, sondern indem neue Mittel, traditionell verwandt, auch die traditionellen Mittel neu erscheinen lassen. So widersetzte Pfitzners Musik sich raschem Konsum und da mit dem rechten Erfolg. Und schließlich wurde der Komponist zu einem Einsamen in der Kunst und auch zu einem, der nur selten Getreue fand, die ihn, den „deutschesten“ aller Kom ponisten, als „Meister" zu akzeptieren bereit waren. Immer wieder brüskierte er Zeitgenos sen, ja zeitweilige Weggefährten durch ein cholerisches, höchst reizbares Temperament, besonders aber durch seine gallig-giftigen Pamphlete, z. B. gegen die „Futuristengefahr“ oder den Internationalismus in der Neuen Musik. Er schuf sich dadurch Gegner, unter ihnen solche, deren Stimmen öffentliches Gewicht hatten. Pfitzner war Zeitgenosse der beiden Antipoden Richard Strauss - fünf Jahre jünger als er - und Arnold Schönberg - fünf Jahre älter -, aber sein Schaffen läßt sich mit keinem von beiden geb. 5.5.1869 in Moskau; gest. 22.5.1949 in Salzburg 1886 - 90 Musikstudium in Frankfurt 1897 - 1907 Kompositionslehrer am Sternschen Konser vatorium in Berlin 1908 - 18 Direktor von städti schem Orchester und Konservatorium, ab 1910 auch Oper in Straßburg 1920 - 29 Lehrer an der Berliner Akademie der Künste 1930 - 34 Lehrer an der Akademie für Tonkunst in München Hans Pfitzner identifizierte sich selbst während seiner Arbeit an „Palestrina“ mit seiner Operngestalt in Haartracht und Kleidung; Gemälde von Willi Geiger