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DRESDNER PHILHARMONIE Sphinx. Diese, ein Ungeheuer mit Kopf und Brust einer Frau und geflügeltem Löwenleib, verschlang alle Vorübergehenden, sobald sie ihr berühmtes Rätsel nicht lösen konnten: wer zu erst auf vier, dann auf zwei, zuletzt auf drei Beinen gehe. Kreon - Bruder der verwitweten Königin Jokaste - erließ einen Hilferuf an alle und jeden und versprach demjenigen, der die Stadt von der Sphinx befreie, Königsthron und Hochzeit mit seiner Schwester. Oedipus, jung, tatendurstig und unerschrocken, fand die rech te Anwort: „Der Mensch, der als Baby auf Vieren kriecht, als Erwachsener auf Zweien geht und im Alter ein Drittes, den Stock, ' braucht“. Die Sphinx war geschlagen, stürzte sich in den Abgrund, und Theben konnte be freit aufatmen. Oedipus heiratete die Königin, nicht wissend, daß er seine Mutter freite. Hier setzt die eigentliche Handlung ein. Nach dem berühmten Rätselsieg über die Sphinx, gelobt Oedipus, seiner Stadt nun auch gegen eine dort wütende Pest helfen zu wol len. Er hat Kreon, den Bruder seiner Frau, nun sein Schwager, in Wirklichkeit aber sein Onkel - was alle nicht wissen -, ausgesandt, um das Orakel zu befragen. Das war damals durchaus j üblich, vielleicht auch notwendig, denn welcher | Herrscher wollte sich schon auf seine eigene, | freie und völlig unbeeinflußbare Entschei dungskraft verlassen, ohne nicht vorher den göttlichen Willen wirklich glaubte ergründet zu haben? Oedipus jedenfalls nicht. Das Orakel tut denn auch kund, was helfen soll, die Pest zu j besiegen, natürlich völlig rätselhaft und restlos i undurchsichtig, wie Orakel schon damals wa ren: Der Mörder des früheren Königs Laios hal te sich in der Stadt auf und müsse gefunden werden. Wer aber war dieser Mörder? Oedipus, ein Mann der Tat, ruhmreich und anerkannt, will auch dieses Rätsel lösen, wenn auch nicht allein. Man solle den blinden Seher Tiresias fra- I ERSTER AKT