Die Handlung Oedipus Rex PROLOG D as Werk handelt in Griechenland zur Mythenzeit. Ein Sprecher begrüßt das Publikum und gibt in der Art eines Con ferenciers eine Einführung in das Stück, in die lateinische Version des sophokleischen „Ödi pus“. Er ist gleichsam der Vermittler und erklärt auch späterhin, was das Publikum mitbekom men soll: das tragische Schicksal des Oedipus, der mit seiner Mutter verheiratet ist und un wissentlich seinen Vater getötet hat. Als er dies schließlich entdeckt, blendet er sich selbst, indem er seine Augen mit der goldenen Schmuckspange seiner Mutter durchbohrt. Das also alles werden wir erfahren. Was aber dem durchaus kenntnisreichen Publikum vorenthalten wird, wollen wir an die ser Stelle rasch in Erinnerung rufen. Denn wer war Oedipus (Ödipus, griech. Oidipus, was so viel heißt wie „Schwellfuß“)? Er war Sohn des Königs Laios von Theben und der Jokaste und wurde übrigens Vater von Antigone, der später so tragisch endenden Frau. Kurz nach seiner Geburt wurde er vom delphischen Orakel als künftiger Mörder seines Vaters und Gatte der eigenen Mutter bezeichnet. Das erschreckte die Eltern sehr, und sie taten, was damals in sol chen oder auch ähnlich Fällen vermutlich üb lich war: sie wollten ihn los werden, wenn auch nicht geradewegs töten. Sie setzten den Knaben aus und durchbohrten zusätzlich seine Füße. Hirten fanden ihn mit seinen entzünde ten und heftig geschwollenen Füßen. Er wurde flugs dem kinderlosen König Polybos von Korinth übergeben - Kinderheime gab es ja noch nicht. Der zog ihn auf, als sei er immer schon sein Sohn gewesen. Als der Heran gewachsene einst während einer unliebsamen Begegnung im heftigen Zorn einen alten Mann erschlug, wußte er nicht, daß es sein eigener Vater war und vergaß die Angelegenheit recht schnell. Rein zufällig in Theben vorbeikom mend, hörte er von der dortigen Not mit der