DRESDNER PHILHARMONIE schließlich eine gesetzesartig starre in den Partien des Männerchores. Die gesamte Musik ist frei von jeglicher Sentimentalität und Larmoyanz, so daß sie im Grunde kühl-objek tiv wirken mag. Und doch glaubt man, berührt i zu werden. Ja man kann sich selbst einer erre- | genden Wirkung nicht entziehen, ist urplötz- | lieh eingefangen. In musikalischer Hinsicht stellte dieses Werk im bisherigen Schaffen des Komponisten einen großen Sprung nach vorn dar, obwohl er sich durchaus alter Formen be dient, der Arie, dem Duett, den Chornummern. Es ist mit einer knappen Stunde Auffüh rungsdauer sein bis dahin längstes Werk, j Vielfältig sind die Bausteine, bestehend aus ar chaisch wirkenden Tonfolgen, rhythmisch fun dierten Strukturen, dominierender Sing- stimmen-Melodik und Anleihen bei slawischer Kirchenmusik. Die Verwendung bestimmter Tonlagen - besonders die tiefen und dunklen Instrumental- und Vokalklänge - hat bedeu tungsschweren Charakter. Beharrlich wird das Intervall der kleinen Terz ins Spiel gebracht, Vorzeichen für drohendes Unheil. Sogar Verdis Einfluß ist zu spüren, eine Verbeugung vor dem Opernkomponisten, den Strawinsky am meisten bewunderte. Zu erleben ist dies in ei ner geradezu dramatischen Stimmführung der Gesänge von einigen handelnden Personen, von Oedipus und Kreon z.B., vor allem aber in Jokastes Arie zu Beginn des 2. Aktes („Nonn’ erubescite, reges“/Schämt euch denn nicht, Fürsten). Auch hier hat Strawinsky sich zwar dem Gefühligen verweigert, doch eine „tief ge fühlte Musik geschrieben, der es im Verzicht gelingt, direkt überzeugend von letzen Dingen | zu reden“ (Harenberg Opernführer, S. 852). | Strawinskys Klassizismus beugt sich einer ural ten Forderung der Kunsterzeugung: die schöp ferische Erregung wird gemeißelt, sie darf sich nicht an die Launen der Phantasie verlieren.