Am 22. Juni 1941, einem Sonntag, als die deutschen Truppen in der Sowjetunion ein marschierten, begann der - von den Völkern der UdSSR so genannte - Große Vaterländische Krieg. Die Kriegsereignisse nahmen einen blitzschnellen Verlauf, und schon am 8. Au gust erschienen über Leningrad die ersten deutschen Flugzeuge. Es begannen die für die Stadt fürchterlichsten Bombenangriffe und schließlich auch ein andauernder Artil leriebeschuß. Neunhundert Tage und neun hundert Nächte, bis zum Februar 1944, stand die Stadt unter einem schweren Dau erfeuer. Die Mobilisierung wurde ausgerufen und selbst Menschen im höheren Alter sollten einberufen werden. Doch den namhaften Komponisten Dmitri Schostakowitsch - während der ersten Kriegsmonate Komposi tionsprofessor am Leningrader Konservato rium - wollte man, trotz dessen mehrfacher persönlicher Bemühungen, in der Roten Ar mee zu dienen, nicht einziehen: „Teuerster, noch ist es mit unserem Land nicht so schlecht bestellt, daß wir Sie in die Armee aufnehmen müßten.“ Das klingt wie eine Anekdote, nichtsdestoweniger ist aber be kannt, daß Schostakowitsch vielfach beharr lich den Versuch unternahm, Soldat zu wer den. Ähnlich hatte sich seinerzeit Maurice Ravel im Ersten Weltkrieg bemüht, den Kampf gegen die Eroberer seiner französi schen Heimat aufzunehmen. Er schaffte es damals und wurde als Kraftfahrer aktiver Kriegsteilnehmer. Schostakowitsch hingegen sollte seinem Land in anderer Form dienen und wurde schließlich, als sich die Situation im belagerten Leningrad sehr verschlimmer te - und förmlich gegen seinen Willen - auf einen Parteibefehl hin nach Kuibyschew an der Wolga evakuiert. Von Beginn an hatte er daran geglaubt, seinem Land auch als Korn- Die Tatsache, daß Schostakowitsch nicht zur Armee eingezogen wurde, war kein Aus nahmefall. Die meisten hervorragenden Kom ponisten wurden in Richtung Kaukasus, später nach Alma-Ata und Nowosibirsk evakuiert, um sie keiner Gefahr auszusetzen. Die totale Mobilisierung überging neben vielen anderen z. B. auch Pro kofjew, Mjaskowski und den berühmten Regisseur Eisenstein. Man erkennt unschwer, daß das Verhältnis von Partei und Regierung zu ihren Künstlern durchaus schizophrene Züge trug. Einerseits wurden selbstbewußt agierende Künstler gegängelt, gemaßregelt und sogar Repressalien unterworfen, anderer seits wollte man sich ihrer moralischen Kraft bedienen und verschonte sie beim Kriegseinsatz an der Front.