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Montag. Zweite Ausgabe. Abends 6 Uhr. 22. December 1851. Eechtig» Die Zkltun- «rschrlnt mit Au«nahmr »el «onntag« «»glich zwei mal und wir» aalgtgcben inO«tp- zig Vormittag« ll Uhr, Abend« « Uhr; in Abend« L Uhr, Vormittag» 8 Uhr. Nr. 644. Deutsche Allgemeine Zeitung. Zu beziehen durch alle Post ämter de« In- und Au«lande«, sowie durch die Trpeditionen in »ieipjjg (vuerstraß« Nr. 8) und Dresden (bei <t. Höckner, Neustadt, Au der Brücke, Nr. I). Preis für da« Bierteljahr l'^THlr.; jede einzeln« Num mer l Ngr. «Wahrheit und Recht, Freiheit und Gesetz!» InsertidnSgetü-r für den Raum einer Zeile > Ngr. Deutsch land. Die'Oestrrreichische Correspondenz läutet wol das Todtenglöcklein des parlamentarischen Wesens in Deutschland, indem sie schreibt: „Be dürfte e» überhaupt noch eines Beweises, wie wenig verläßlich das parla mentarische System erscheint, um das politische und materielle Wohl der Völker dauernd zu verbürgen, so möchte wol ein rascher Umblick in Deutsch land genügen, um diese Ueberzeugung bei jedem Denkenden und Unbefan genen unwiderleglich festzustellen. Eine traurige Erfahrung hat gelehrt, daß einige der Belehrung ganz und gar unzugängliche Parteien ihre Stellung auf das hartnäckigste benutzten, um den Regierungen ihr Dasein zu erschwe ren und ihre Kraft in einer Reihe kleiner endloser Kämpfe abzunutzen. Die Fürsten Deutschlands, dieses theils intriganten, lheils pedantischen Spieles müde, konnten nicht umhin, in geeigneter Weise vorzukehren, was ihnen zum wahren Wohle ihrer Staaten förderlich schien. Außer Stande, sich mit den Volksvertretern über ein festes und consequentcs System der Re gierung und der Verwaltung zu einigen, mußten sie nicht selten von dem ihnen zustehenden Rechte der Souveränetät Gebrauch machen, um neue zweck dienliche Einrichtungen zu schaffen. So erging es in Württemberg, in Sach- sen, in den Herzogthümern Anhalt, , in Hessen-Darmstadt, in Nassau re. Uxberall hatte eine neckende, unversöhnliche, ziellose und unleidlich zähe Op position die Regierung genöthigt, deren Elemente aus dem Wege zu räu men, damit nicht der gesammte Staatsorganismus durch sie zur Fäulniß gebracht und der Heiligkeit des monarchischen Princips endlich Gewalt an- gethan werde. Man sollte glauben, diese Fälle von Beispielen und der im Ganzen höchst ähnliche Verlauf der von den Regierungen unternommenen Widerstandsprocesse hätten die Männer der verschiedenen Oppositionen Deutsch lands endlich eines Bessern belehrt. Umsonst! Die eindringlichsten Warnun gen dieser Art blieben fruchtlos und ungehört. Die Opposition in Deutsch land ging überall auf ihrem alten Pfade fort, sic scheint der Ansicht zu huldigen, als sei es ein religiöses Dogma, daß alles Thun und Lassen der Staatsregierung von vornherein mit Mistrauen betrachtet und bis ins kleinste Detail ohne Schonung zergliedert werden müsse. Zeichen der oppositionellen Richtung dieser Art haben sich neuestens auch in Hannover hervorgethan, wo die von der Regierung gemachten Vorlagen zum Behufe der politischen und gerichtlichen Organisation des Landes fortwährend mit einer Hartnäckig keit zurückgewiesen werden, die ganz den Typus der vulgären deutschen Op- posttionsmacherei trägt und in letzter Instanz dahin führen muß, das par lamentarische Regime sowol den Völkern als den Fürsten Deutschlands ge radezu unerträglich zu machen. Die gegenwärtige Regierung Hannovers be steht aus ehrenwcrthen und intelligenten Männern, welche das Vertrauen ihres Landes im vollen Umfange verdienen. Wir zweifeln auch keinen Au genblick, daß sie sich in der Masse der Landesbevölkerung dieses Vertrauens in der That erfreuen. Wenn es ihnen daran in den beiden Kammern gebricht, so beweist dies eben nichts Anderes, als daß Kammern überhaupt nur ein schwacher und unzuverlässiger Reflex der Volksgesinnung und des Volkswillens sind." — Die Allgemeine Zeitung warnt in einem Artikel vom Rhein die Con - servativen vor der Sorglosigkeit, mit der sie den Staatsstreich Bona- parte's betrachten, als dessen Resultate sie festere Garantien der Ruhe er blicken. Sie sagt: Wir scheu in den Reihen der Conscrvativcn viele vergnügte Gesichter, die unS triumphircnd auf das Steigen der Curse als die sichere Gewähr einer neu befestigten Ordnung Hinweisen. Wir hören, wie sonst verständige Leute den Staats streich vom 2. Dec., diese Mischung von Fructidor und Brumaire, als eine frohe Botschaft für die gesammte europäische Gesellschaft begrüßen, wie sie frohlockend auf die Schwäche des Widerstandes hindeuten und sich begeistern für den Helden von Strasburg und Boulogne, den man damals mit gleichem Rechte auf das Feld von Grenelle hätte hinausführen können, als heute die gefangenen Barricaden- kämpfer. Seht da, rufen Einzelne, der hat den rechten Weg eingeschlagen, „Ruhe und Ordnung sicherzustcllen", ihm ist das große Problem gelungen, nach dem so Viele sich vergebens bemüht, das ColumbuS-Ei festzustellen. ES sind diese Stimmen nicht die einzigen, die sich auf konservativer Seite hörbar machen, aber eS sind die, welche sich am lautesten vernehmen lassen. Der bangsten Sorge vor dem rothen Gespenst« deö Jahres 1852 ist in vielen Gemüthern eine abergläubi sche Zuversicht gefolgt, die uns überrascht und befremdet. Es scheint, als habe man sich von dem augenblicklichen Erfolge über die Gefahr der Lage blenden las sen. Vor allem halte man sich klar vor Augen, was die neue Gewalt ist und was sie will. Sie ist die blanke Militärdiktatur, sie will die Abspannung und Ermüdung, den Widerwillen an dem Getreide der parlamentarischen Parteien be nutzen, um das parlamentarische Regiment dauernd zu beseitigen. Sie geht über alle die Constitutionen von 1840, 1830 und 181-1 zurück, der 18. Brumaire, und was daraus gefolgt ist, erscheint ihr, um mit Lafayette zu reden, als „die beste aller Verfassungen". Diktatorische Macht erst auf zehn Jahre, dann auf Lebens- zeit, neben strengster Einschränkung der Reste von rcrräscntativer Form, eine auf die Armee gestützte absolute Gewalt — das sind die Grundzügc, die sich b,Sjetzt al« feste, leitende Gedanken in der Politik des Prinz-Präsidenten erkennen lassen. ^Berlin, 21. Dec. Schon wieder sind Revisionsanträge zur Verfassung, natürlich von der Rechten, in der I. Kammer eingebracht wor den. Der Abg. Klee und 15 Genossen beantragen den Wegfall der Diäten für die Mitglieder der ll. Kammer, um die Würde der Landesverlretung zu einem unentgeltlich zu verwaltenden Ehrenamte zu erheben. Die Ge- schichte Frankreichs lehrt uns, waS geschieht, wenn Abgeordnete keine Diäten erhalten. Ein anderer Antrag des Abg. v. Ploetz und Genossen verlangt die Abänderung des Art. 73, 76 und 9!) der Verfassung in der Weise, daß die Legislaturperiode von drei auf sechs Jahre, die Budgetperiode von einem auf zwei Jahre festgestellt werden soll und der Zusammentritt der Kam mern statt alljährlich, alle zwei Jahre erfolge. Dieselben Antragsteller, welche verlangen, daß der Abgeordnete die mit seiner Würde verbundenen Opfer unentgeltlich trage, bringen bei dem letztgenannten Anträge Kosten und Zeit als Gründe vor. Ferner führen sie an, bei den alljährlichen Kam- mersessionen habe die Staatsregierung keine Zeit, die Gesetzentwürfe gründ lich vorzubcreiten. Diesem Ucbelstande soll bekanntlich, wenigstens melde ten cs die Regierungsorgane, durch Reactivirung des Staatsraths abgeholfen werden. Der Kern des Pudels ist natürlich der, daß man in gewissen Kreisen die Kammern möglichst selten zu sehen wünscht. n Nürnberg, 19. Dec. Sämmtlichc Mitglieder der aufgelösten Freien Gemeinden, welche dieser Tage auf die Polizei gerufen wurden, um sich über die zu treffende Wahl hinsichtlich des (protestantischen oder katholischen) Religionsunterrichts ihrer Kinder zu entscheiden, haben erklärt, daß sie ihre Kinder selbst unterrichten würden, und zwar nach dem Katechismus von Heribert Rau, und daß sie jeden Zwang in dieser Hinsicht für eine Ver letzung der Verfassung (nach welcher die Kinder in der Religion der Ael- tern erzogen werden sollen) halten und demgemäß sich beim Landtage be schweren würden. Man ist auf den Ausgang dieses Conflicts gespannt. — Heule haben wieder drei Haussuchungen, und zwar bei ehemaligen Mit gliedern der Freien Gemeinde, stattgefunden. Die Behörden scheinen durch diese fortgesetzten Maßregelungen den Angehörigen der aufgehobenen Sekte jeden weitern, sei es auch nur passiven Widerstand verleiden und sie dadurch in die Arme der herrschenden Kirche zurückführcn zu wollen. (Die kürzlich von mir berichtete Ausweisung Hal nicht den Redacteur des Nürnberger Correspondenten, sondern den des Nürnberger Kuriers betroffen.) Hannover, 20. Dec. Die gestrige Sitzung der II. Kammer be gann mit einer Interpellation an die Regierung wegen der Städteordnung, welche der Minister folgendermaßen beantwortete: Die Regierung sei aller dings ernstlich gesonnen, mit der Ausführung der Städteordnung vorzu- schreilen; wie es aber mit den Bedingungen stehe, die den Städten bei Aus führung der Städteordnung gemacht worden, darüber werde er in einer der nächsten Sitzungen Auskunft ertheilen. Hierauf begründet Abg. Pfaff seinen Urantrag, der Regierung zur Erwägung anheimzugeben, inwiefern die Gefahren, die durch den Anschluß Hannovers an den Zollverein und die dadurch vermehrte Anstellung von Steuerbeamten für die Grenzbezirke her- bcigeführl werden, beseitigt werden könnten. Derselbe wird der Commission für den Septembervertrag zugewiesen. In der heutigen Sitzung der II. Kammer richtete der Abg. Bueren eine Anfrage an den anwesenden Minister der Justiz: „ob die Regierung beabsichtige, dem neuernannten hannoverschen Bundestagsgesandten Instruc tion für sein Verhalten in der Beschwcrdesache der hiesigen Provinzialland schaften beim Bunde zu ertheilen, eventuell, ob solche Instruction dahin er- theilt werden solle, daß der Gesandte angewiesen werde, für Aufrechthaltung des §. 33 des Verfassungsgesctzes von 1848 und des Gesetzes über Reor ganisation der Provinziallandschaften vom 1. Aug. d. I. in der Bundes versammlung zu stimmen"; und als eine Antwort auf diese Interpellation nicht erfolgte, stellte der Abg. Bueren mit spccieller Hinsicht darauf, daß der jetzige Bundestagsgesandte, dessen Ernennung allerdings der Krone frei- gestanden, bisher gegen die RechtSbeständigkcit und Ausführung jener gesetz lichen Bestimmungen öffentlich sich erklärt habe, einen Urantrag dahin, Stände möchten beschließen, die Regierung zu ersuchen, daß sie dem gedachten Bun destagsgesandten eine Instruction im obigen Sinne zum Zwecke der Auf rechthaltung der fraglichen Gesetze ertheilen möge. Der Antrag ward un terstützt und später vom Präsidenten auf die nächste Tagesordnung gesetzt. Ein königliches Schreiben, das während der Sitzung einlief, vertagt die allgemeine Ständeversammlung auf deren Antrag bis zum 16. Jan. 1852, jedoch mit der Bevorwortung, daß die Commission wegen Prüfung der Zollanschluß frage während der Vertagung in Hannover ihre Arbeiten sortzusehen ha ben wird. Der Präsident schloß in Veranlassung dessen die Sitzung. — vr. K. Jürgens, Redacteur der officiellen Hannoverschen Zeitung