nen ihres Daseins: grenzenlose Selbstüber hebung und tiefste seelische Zerrüttung. Der folgende Abschnitt ist entnommen: Wolfgang Marggraf, Giuseppe Verdi, Leipzig 1982, S. 103 - 106 Mit weit ausgreifender melodischer Geste werden in ihrer Auftrittsarie unbändiger Ehr geiz und leidenschaftlich aufbegehrender Stolz in einprägsame musikalische Gestalt gefaßt. Nach wenigen Takten steht die Lady in dieser Arie vor dem Hörer als ein großer, von unbezähmbaren Leidenschaften durch- glühter Charakter, den eben die Gewalt die ser Leidenschaften zu Ruchlosigkeit, maßlo ser Hybris und schließlich ins Verderben treibt. Dieses Verderben hat sich erfüllt im unheimlichen Wahnsinn der großen Nacht wandelszene am Schluß der Oper; hier be wahrt ihr Charakter... bei aller heillosen Zer störung doch eine dämonische Größe. Man kann die psychologische Meisterschaft Verdis nicht genug bewundern, mit der es ihm ge lang, trotz fast klinischer Genauigkeit in der Erfassung der Symptome geistiger Zerrüt tung die Zeichnung der Lady dennoch vor einem Absinken in peinlichen Naturalismus zu bewahren. In dieser Nachtwandelszene greift Verdis Kunst weit voraus; sie ist eine geniale Verwirklichung einer Idee vom musi kalischen Theater als einer tiefste Schichten des Seelischen bloßlegenden Kunst, die im späten Schaffen des Meisters ihre Erfüllung gefunden hat. Es bedarf kaum eines Hinweises, daß sich diese in jeder Hinsicht ungewöhnliche Sze ne, die wohl schon Verdi selbst als eigentli ches Zentrum des Werkes empfand und an der er bei der späteren Überarbeitung der Oper keine Note änderte, einem traditionel len Formschema nicht mehr unterordnet ... Bewundernswert ist die kompositorische Ökonomie, mit der Verdi im ersten Teil die ser Szene die „Charakterbegleitung“ ganz