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ISV9 In Turin suchten den Bau zu behindern, aber ihr unduldsamer Wider stand ivar vergeblich. In keinem andern italienischen Staate ist eS ei ner akathölischen Glaubensgemeinde gestattet, den Anfang ihres Gottes dienstes durch ein Glockenzeichen zu verkündigen; die neue Kirche in Tu rin aber erhält einen Kirchthurm, und überhaupt wird sie sich in nichts von den protestantischen Gotteshäusern in England unterscheiden." KrsAkretch. Pari«, 8. Sept. Le PayS beginnt beute die lang versprochenen politischen Por traits von Zeitgenossen mit jenem Ludwig Bonaparte'S. „Kühn heit verschleiert von Furchtsamkeit, Entschlossenheit verhehlt durch Sanft« muth, Unbeugsamkeit ausgeglichen durch Güte, Feinheit verborgen unter Gutmüthigkeit, Leben unter dem Marmor, Feuer unter der Asche, mit Einem Worte, Etwas von Augustus und TituS unter den Zügen Wer- iher'S, dieses Urbilds deutscher TräüMerei. So erscheint Ludwig Napo leon Bonaparte." Wir zweifeln, daß der Präsident diesen sonderbaren Ragout nach seinem Geschmack finde. Ludwig Napoleon ist kein ge wöhnlicher Mensch, seine ganze moralische Natur bleibt inner den Gren zen seiner physischen. Seine besten Freunde kennen ihn nicht. Schweig sam sitzt er im Ministerrathe. Kurz, wie mit einem Tagesbefehl, ent scheidet er die schwierigsten Fragen. Darum ist ein parlamentarisches Ministerium mit ihm nicht möglich. Dieses wollte regieren, er will nicht abdanken. Diese Unbeugsamkeit des Willens hat nichts Abstoßendes in der Form. Seine Mutter nannte ihn einen sanften Starrkopf und die ses Urtheil ist ganz richtig. Er ist vollkommen Herr seiner selbst. Er berechnet Alles. Sein Herz ist nur der Vasctll seines Kopfes. Dabei fehlt ihm alle Initiative. Er glaubt zu sehr, daß den Apathischen die Welt gehört. Napoleon hat jetzt zwar die Regierung, nicht aber die öffentliche Meinung für sich. Dieser Mangel hindert ihn aber Nicht, an Tagen seines „innern FieberS" mit zehn seiner Freunde eine Regie rung anzugreifen. Er hat keinen Sinn für die Kunst. Ein Gedicht schläfert ihn ein, vor einem Gemälde gähnt er. Intere sant ist folgende noch unbekannte Anekdote bei Verfassung seines Manifestes als Präsi- beütschaftscandidat. Er hatte in dem seinigen ausdrücklich bemerkt, er wolle nach vier Jahren abtreten, und eine Amnestie in Aussicht gestellt. ThierS misbilligte Beides und schickte ihm des andern Tages ein ganz anderes, von Mernau, Redacteur des Constitutionnel, verfaßtes. Bo- .naparte zeigte beide an Emile Girardin. Dieser antwortete ihüi: „Das erste ist wahr wie dle Natur, daS zweite matt wie eine Kopie. Wollen Sie wirk lich thnn, was Sie versprechen, behalten Sie die Stellen, wollen Sie nicht, streicht» Sie dieselben." Die Stellen erschienen im Manifeste. Aus seinem Gefängnisse zu Ham schrieb er an eine englische Dame: „Dennoch wünsche ich den Ort nicht zu verlassen, wo ich mich befinde. Hier bin ich an Wjtiem Platze. Mit meinem Namen bedarf ich der Nacht eiNeS Kerkers öder des Lichts der Herrschaft." Großvrit annier». Lonbvn, 8. Sept. ' Seit einigen Tagen geht das Gerücht, daß der Herzog v. Nor folk, nächst dem Earl Vf Shrewsbury der angesehenste Katholik Eng lands, der Vater des streng-katholischen Earl of Arundel, und von lange her entschiedener Gegner der ultramontanen Richtung, zur Staats kirche übergetreten sei. Die Bekehrung einer so einflußreichen Person schien wenigstens eines glückwünfchenden Leitartikels in englischen Zei tungen werth; da jedoch bisher alle hiesigen Blätter stumm blieben, glaubten wir, das Gerücht bedürfe noch der Bestätigung. Aus dem ul- tramoktanen irischen Tablet erhellt jedoch, daß an der Richtigkeit der Sache nicht zu zweifeln ist. Ein dürrer Zweig, sagt das Tablet, ist vom Daum gefallen. Der Herzog v. Norfolk ist offenerweise Das ge worden, was er lange im Geheimen war, ein Protestant. Vor weni gen Monaten, zur selben Zeit, als er seinen Sohn zum Verrath an der katholischen Sache zu zwingen bemüht war, gab er sich öffentlich für einen Katholiken auö, und erdreistete sich, in der (usurpirten) Eigenschaft eines Katholiken, gegen den sogenannten päpstlichen Uebergriff aufzutre ten. Er ist jetzt bekannt für DaS, was er ist und immer gewesen ist. Hoffentlich werden noch mehr solche abgestorbene Reiser vom Baume geblasen werden. Solche Leute haben keinen Werth an und für sich, ebenso wenig können sie schaden, außer in der Eigenschaft von Verrä« thern. Im Laufe der letzten ParlamentSsesston, als ein anderer dieser tödten Zweige (Lord Beaumont) im Oberhause eine Rede hielt, sagte ein protestantischer Pair, mit etwas grober Manier, zu einem der „Su perintendenten" (so nennt das Tablet die Bischöfte der Staatskirche): „Wenn der Mensch dort die katholische Kirche verläßt, so hoffe ich, Ihre Herrlichkeit wird ihn nicht in unsere einlaffen." *Dorpat, im Sept. Die Bevormundung deS wissenschaftlichen Lebens von Seiten der Regierung ist in Rußland seit dem Jahre 1848 auf einen Grad gediehen, der eigentlich jede Wissenschaft unmöglich macht und von der vom ehemaligen „Minister der Volksaufklärung" Uwarow so sehr belieben „Verbindung russischer Ordnung mit deutscher Wissenschaft" nur noch die „russische Ordnung" übrig gelassen'hat. Die hiesige Universität, welche die Repräsentantin der sich freier bewegenden deutschen Wissenschaft gewesen war, katn Vabei am schlechtesten weg. An die Stelle des früher von ihr gewählten 'RecwrS rrhielt sse einen vom Kaiser ernannten KvÄbr perxwtuus und in der Person eines Ge nerals der Infanterie einen Curator, der nach seiner Anschauungsweise, die Universität ungefähr wie ein Regiment vonischer Kosacken anfieht. Eine beispiellos strenge Censur, nach welcher Alles, was nicht er-<» laubt ist, als verboten betrachtet wird, läßt kaum noch die erfoderliche Vermehrung der Universitätsbibliothek zu, und um ja recht sicher zu sein, daß Alles nach russischer Ordnung zugeht, ist der Rector ver pflichtet, die Hefte der Professoren einer strengen Censur zu unter werfen, oder im Falle des freien Vortrags die Censur auf die nach geschriebenen Hefte der Studirenden hin auSzuüben. Unter solchen Ver hältnissen werden die Vertreter der deutschen Wissenschaft wohl daran thun, sich Kmftig nicht mehr von dem russischen Golde blenden zu las sen; eS könnte ihnen nur zu sieichtf gehen wie dem Professor Edward Osenbrüggen, der vor acht Jahren von Kiel hierher berufen wurde, seit fünf Jahren Dekan der juristischen Facultät war, und auf eine sehr vage Denunciation hin verhaftet und in Untersuchung gezogen wurde, die mit seiner Entlassung endigte, „weil er in seinen Ansichten nicht ganz mit denen der russischen Regierung in Uebereinstimmung zu stehen scheine". Non Petersburg auS, wo sich Osenbrüggen in Untersuchungshaft be fand, wurde er, ohne daß man ihm eine kurze Rückkehr zu seiner in Dorpat weilenden bekümmerten Familie gestattete, auf ein Dampfboot gebracht und nach Lübeck geschifft. Ekmetrika. Der Präsident und der ihn begleitende Secretair des Innern haben die Tour nach Virginien plötzlich aufgegeben und sind in größter Eile nach Washington zurückgekehrt. Der Dampfer Sarana wurde nach Havana beordert, mit einem Regierungsagenten an Bord, der alle mit der Hinrichtung der 50 Amerikaner verknüpften Umstände untersuchen, und wegen des Angriffs auf den amerikanischen Postdampfer Genug- thuung verlangen soll. — Der Dampfer Empire City brachte am 21. Aug. nach NeuorleanS die Post aus der Havana bis zum 18. Aug. Von da ging diese Post per Telegraph nach Neuyork. General Lopez, hieß es, hatte bei Mareal Zwei stegreiche Gefechte mit den Spaniern. Letztere verloren 80 Offiziere und 300 Mann an Todten und Verwundeten. Die Todten wurden in Havana Mit militairischen Ehren begraben. Die Streit macht des Lopez soll rasch anwachsen; 12—1400 Rekruten stoßen täg lich zu ihm. Am 14. Aug. verließen über 100 Mann Havana zu bie- sem Zweck. Selbst ein spanisches Regiment soll zu IHM übergegangen sein (?) und das Volk erhebe sich auf mehren Theilen der Jnfel. Auch ein Schreiben an das Blatt Picayune (NeuorleanS) versichert, der spa nische General Ranzana habe das Feld geräumt und sich «ach Santjagy zurückgezogen. Die Patrioten hätten Puerto Principe und Umgebung besetzt. In Havana befänden sich nur 700 M. Spanier. Räch andern Berichten auö Havana bestand Lopez nur ein Gefecht gleich nach dec Landung mit den Spaniern; letztere verloren 4—500 M., erhielten aber starken Zuzug mit Kanonen, machten einen neuen Angriff und nahmen fast alle Patrioten, inclusive Lopez, gefangen. In Neuorleans verursachte die Tragödie auf Cuba einen ent setzlichen Volksauflauf. Erst wurde die Druckerei des spanischen BlatteS Union demolirt, dann das Magazin eines spanischen Tabackshändlers, den die „Liberators" für einen Spion halten, endlich die Wohnung veS spanischen Consuls. Der Pöbel riß das Wappen von feiner Thür und warf seine MeubleS und Papiere auf die Straße. Der Consul flüchtete sich inö Stadtgefängniß. Unglücklicherweise brachte der Dämpfer Empire City die Leichen der auf Cuba Hingerichteten Patriofen Capitain Victor Ker und Colonel Clendenin nach NeuorleanS. Tausende drängten sich die Särge zu sehen, und 2000 Tumultuanten erschienen vor dem Stadt- gesängniß, die Auslieferung des Consuls verlangend, dem man vor wirft, daß er die Testamente einiger erschossenen Amerikaner erhielt und sie den Freunden derselben nicht aushändigen wollte. Fünfzig Polizei männer waren bei Abgang der Post bemüht, den VolkstumM vor dem Gefängniß zu beschwichtigen. — In Neuyork hielt man die meisten aus Cuba einlaufenden Berichte für Fabrikate der Presse von NeuorleanS, und nichts für authentisch als die Nachricht von der Hinrichtung der 50 Amerikaner, und daß der Dampfer deS Lopez nach der Küste von Flo rida zurückgekehrt war, um Zuzug zu holen. Als sicher wurde ange nommen, daß kein Prästdenturcandidat die Stimmen der Whigs oder Demokraten erhalten werde, der sich nicht unbedingt für die „Befreiung" und spätere Anneration CubaS erklären wolle. «Königreich Sachsen. »Dresden, 10. Sept. In hiesigen Blättern liest man bereits An zeigen der Bankiers, wonach dieselben sich zur Annahme von Subscrip- tionen auf die neue österreichische 85-Mill.-Fl.-Anleihe, welche sich im Ganzen genommen ziemlich günstiger Aufnahme erfreut, bereit erklären. Jedoch ließ sich auch eine Warnungsstimme dahin hören, daß man vor der Betheiligung an ausländischen Finanzoperationen zuvör derst die Finanzverhältnisse deS die Anleihe machenden StaatS prüfen und dann nachdenken solle, ob solche bessere Garantie als die inländi schen Papiere darzubieten im Stande seien. — Heute nach 2 Uhr Nach mittags langte auf der Sächsisch-Böhmischen Staatseifenbahn wiederum eine Abtheilung österreichischer Truppen, zum EorpS in Holstein detachirt, hier an. ES waren gegen 160 Mann Infanterie verschiede ner Regimenter; fie wurden am Bahnhofe genannter Bahn vom Musik chor der 1. Brigade (Prinz Albert) erwartet und durch die Stadt nach